Lesesteinweg, Bernd Fredrich, Rädigke, Lesesteine

Rädigke: Mit Bernd Fredrich auf den Spuren der Steine

Rädigke. „Das kann man in Berlin nicht erleben“ meinte Bernd Fredrich gleich zu Beginn der Wanderung entlang der Rädigker Lesesteine am Tag der deutschen Einheit, zu der sich etwa 40 Teilnehmer im Gasthof Moritz eingefunden hatten. So locker und unterhaltsam sollte es die nächsten zwei Stunden weitergehen.

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Start auf dem Gasthof Moritz

Zunächst aber begrüßten Gastwirt Bernd Moritz und seine Frau Doris alle Gäste mit ofenwarmen Cherry-Pflaumen auf ihrem Hof, den die Familie immerhin seit ca. 350 Jahren in inzwischen 11. Generation bewirtschaftet. Zum Hof gehört die Fläming-Bibliothek, die Fredrich so vorstellte:

„In Rädigke funktioniert der Kommunismus. Der Einkauf der Bücher kostet null Euro. Die Anmeldung kostet null Euro. Die Ausleihe kostet null Euro. Hier kann jeder nach seinen Bedürfnissen lesen.“

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Bibliothek verfügt über ca. 4000 oft druckfrische Bände. Bei gerade einmal 153 Einwohnern gibt es 999 eingetragene Leser:

„Sie können also heute der tausendste werden.“

Lesesteinweg, Rädigke, LesesteineZum fünften Jahrestag der Bibliothek wurden die Lesesteine angelegt, zu denen die weitere Wanderung führte. Die Rädigker hatten die zahlreichen Findlinge im Ort und in seiner Umgebung mit selbstgestalteten Kacheln verziert, auf denen literarische Sprüche zu lesen sind. Nicht nur zu jedem Stein sondern zu jeder passenden Gelegenheit wusste Fredrich nicht nur ein eine Geschichte zu erzählen, sondern sehr unterhaltsam humorvolle Gedichte vorzutragen. Gleich am Gasthof Moritz das Heinz-Erhardt-Gedicht „Die Kunst des Trinkens“. Der gelernte Molkereitechnologe hat seit seiner Kindheit ein Faible für Gedichte von Wilhelm Busch über Heinz Erhardt bis zu Robert Gernhardt. Seine Vorträge über die Neue Frankfurter Schule sind Legende im Fläming und ziehen Menschen bis aus Wittenberg und sogar Berlin an.

Lesesteinweg, Bernd Fredrich, Rädigke, LesesteineIn der „sag ich mal“ 1250 gebauten Kirche, in der eine prämierte Erntekrone hängt, die Rädigker Frauen allein nach Anleitungen im Internet gefertigt haben, warb der „bekennende Atheist“ Fredrich für seine Kirche, insbesondere für den Kauf von Sternen am Gewölbe über dem Altarraum. Nach der Besichtigung der Kirche ging es weiter zum kleinen Ableger der Lesesteine, zu den Kinderlesesteinen. Den haben die Rädigker Kinder selbst entworfen und in einer Görzker Töpferwerkstatt bemalt. Weiter ging es vorbei am alten Trafohäuschen, am noch aus DDR-Zeiten stammenden Mufflon-Gehege, über die Planebrücke in weitem Bogen um Rädigke herum. Immer hatte Fredrich einen lockeren Spruch und vor allem ein Gedicht auf der Lippen. Er trug prononciert und gestenreich vor, wobei er sich bei letzterem auch nicht von seinem durch einen Schlaganfall beeinträchtigten linken Arm hindern lässt. Nicht selten rezitierte er im Laufen, meist rückwärts gehend, um seine nachfolgenden Teilnehmer zu erreichen.

Gern lästerte Fredrich auch über die benachbarte „tote Stadt Niemegk“:

„Sie hat so viele leere Schaufenstern.”

Lesesteinweg, Bernd Fredrich, Rädigke, Lesesteine, Gasthof Moritz Ganz ernst kann er das nicht meinen, denn demnächst ist er dort in der bereits ausverkauften Eigenproduktion „Männergrippe“ des Neuen Volkstheaters Fläming zu erleben:

„Aber man muss zuspitzen, um unterhaltsam zu sein.“

Als die Gruppe mit viel Verspätung, die aber höchstens die Wirtsleute bedauerten, wieder im Gasthof Moritz ankam, erwartete sie dort schon ein leckeres Herbstbuffet. Alle Räume des Gasthofes mussten genutzt werden. Wer Fredrich ansprach, der bekam noch ein langes Gedicht als Zugabe. Zum rundum positiven Eindruck an diesem Feiertag trug dann noch bei, dass manche aus der Gruppe nicht nur viel gelacht, sondern nebenbei noch Steinpilz am Wegrand gefunden hatten.

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