Owi – eine heitere Weihnachtsgeschichte

Es ist die Woche vor Weihnachten. In der kleinen Fa­milie Bork herrscht, wie in den meisten Familien um diese Zeit, die gewisse freudige Aufgeregt­heit, Spannung, und auch ein wenig unnöti­ge Hektik, Das gehört zur Vorweihnachtszeit, wie in den meisten Fa­milien halt.

Frau Bork steht in der Küche. Es gibt noch viel zu tun bis zum Fest, Plätzchen backen, den Bra­ten vorbereiten, die Wohnung sauber machen – noch etwas sorgfältiger als sonst – und ein paar Geschenke sind auch noch einzupacken. Und dann das Kind.

Oh Gott. Klein-Lisa ist manch­mal so anstrengend. Auch heute weicht ihr Lisa nicht von der Seite. Alles muß sie wissen und sehen: Mutter, was machst du, was ist das, woher ist das, wie heißt das da? Was bringt nur der Weihnachtsmann?” Auf manche Fragen gibt die Mama gar keine Antwort, aber das stört Lisa nicht. Sie fragt schon weiter. Und dann die Frage:

,,Wann kommt der Papa?”

Ja, wann kommt er. Bei seinem Beruf als Fernfahrer weiß man das nie genau. Hoffentlich heute nicht so früh. Es soll doch alles fertig sein, wenn er kommt. Aber diese Frage bringt Frau Bork auf eine Idee:

“Lisa, geh doch in dein Zimmer und male für Papa ein Weihnachtsbild. Du kannst doch schon so schön malen.”

Das ist ein kleiner Trick nach den Mot­to: Mit Speck fängt man Mäuse – auch Mäuschen!

“Au ja!” Lisa ist schon aus der Küche. Der erlösende Seufzer der geplagten Mama ist noch nicht richtig verklungen. da fragt es schon wieder:

“Mama, was soll ich denn malen.?”

“Lisa, mal doch die Weihnachtsgeschichte, Du weist schon, den Stall mit dem Jesuskind in der Krippe und Maria und Josef, so, wie der Opa das am Sonntag erzählt hat.”

Lisa saust wieder in ihr Zimmer. Sie kniet auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Vor ihr das große Zeichenblatt .Ein kurzes Überlegen, dann fängt sie an. In ihrer linken Hand hält Lisa alle Stifte, die sie braucht. Braun für den Stall und die Krippe, Gelb für den Stern und den Engel. Rot für die Mäntel der Könige Kaspar, Melchior und Baltasar – so, wie es der Opa erzählt hat!

Nach wenigen Minuten ist alles andere um Lisa herum versunken. Sie malt voller Eifer und Hingabe. Ihre kleine Zunge flitzt zwischen den Lippen hin und her, und manchmal berührt sie sogar die niedliche Stupsnase. Die Faust mit den Stif­ten ist ganz rot, nur die Grübchen auf den Knöcheln heben sich weiß ab, so fest hält Lisa die Stifte. Manchmal stöhnt und seufzt sie. Sie ist ganz bei der Sache. Lisa ist dieser Welt entrückt. Selbst steht sie mit den anderen vor dem Stall in Beth­lehem. Viel muß sie bedenken. Es muß auch alles aufs Bild, die Kuh hat mehr Ähnlichkeit mit den Ziegen von Herrn Nachbar Schmidt, die Lisa oft mit ihrer Mama auf der nahegelegenen Wiese mit Brotresten und Kartoffelschalen füttert. Eine richtige Kuh hat sie ei­gentlich auch noch nie aus nächster Nähe gesehen. Dafür gelingen Lisa die Schafe beson­ders gut. Die hat Herr Schmidt nämlich auch. Daß Frau Bork zwischendurch mal ins Zimmer schaut, weil ihr die Ruhe fast un­heimlich ist, bemerkt die kleine Malerin gar nicht in ihrem Eifer. Einen kurzen Augenblick nur verweilen die Augen der Mama auf dem lieben Kind, dann wen­det sie sich wieder beruhigt ih­rer Arbeit zu.

Gerade, als Lisa mit dem Bild fertig ist und sich er­schöpft zurücklehnt, hört sie im Flur die Wohnungstür aufgehen. Der Papa kommt! Nach einer stürmischen Begrüßung mit Küßchen und Drücken und eini­gen Worten zwischen den Eltern, zieht Lisa ihren Papa ins Wohn­zimmer. Auch die Mama muß sich zu ihm setzen. Dann holt Lisa das Bild.

“Papa, das hab’ ich für dich gemalt!”

Stolz legt sie vor beiden das Bild auf den Tisch.

Nichts hat sie vergessen: den Stall mit dem Stern darüber, den Ochsen und die Kuh, die Hirten mit ihren Schafen, die drei Kö­nige, den Engel, das Kind in der Krippe, Maria und Josef.

“Wer ist denn der?“ Mama zeigt schmunzelnd auf ein kleines, rundes, lachendes Kerlchen, dem man ansieht; daß sich Lisa mit ihm besondere Mühe gegeben hat.

“Mama das ist doch der Owi” sagt Lisa etwas belehrend und vorwurfsvoll.

“Aber wer ist denn Owi?” will Mama wissen.

“Na, du singst doch immer mit mir:

“Stille Nacht, heilige Nacht, Gottes Sohn, Owi lacht…!”

Das Bild hängt jetzt bei Herrn Bork im Laster in der Schlafka­bine. Immer, wenn er sich aus­ruht, tauscht er ein Lachen mit Owi und schläft meist auch gleich lächelnd ein.

(Ruth Bailer / Niemegk; Artikelfoto: Krippe von Peter Jahnke, siehe dazu auch den Artikel “Borkwalde: Hochwertige, handgemachte Krippen aus der Zauche” auf “Zauche 365”)

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