Aktion zur Kitzrettung in Lütte

Lütte. Das Frühjahr ist die Zeit, in der die meisten Tiere ihr Jungen bekommen. Man kann Ente, Gänse und Schwäne mit ihrem Jungen auf den Teichen beobachten, die Vögel brüten, teilweise auch an ungewöhnlichen Orten, die Sauen werfen Frischlinge und die Ricken setzen ihre Kitze. Letztere tun es gern auf Wiesen. Dort ist das Gras inzwischen so hoch, dass sie sich geschützt fühlen und selbst kaum aus dem Gras hervorgucken. Und darin liegt die Gefahr. Auf vielen Wiesen wächst nämlich das Futter für die Milchkühe und anderes Vieh der Landwirte. Was bedeutet, die Wiesen müssen gemäht werden. Und das regelmäßig, während auf geschützten Landschaftwiesen die Mahd nur ein oder zweimal im Jahr erfolgt.

Während die Ricken durch die lauten Motorengeräusche Des Traktors mit dem Mähwerk aufgeschreckt werden und flüchten, bleiben die kleinen Kitze liegen. Und sind für den Treckerfahrer fast nicht zu erkennen. Ein rechtzeitiges Anhalten ist fast unmöglich. Deshalb haben sich viele Landwirte einen sogenannten Wildretter besorgt. Zu ihnen gehört Nikolai Schulte aus Lütte. Auch er bewirtschaftet Wiesen, die zur Mahd anstehen. Der Wildretter ist ein elektronisches Gerät, welches laute akustische Signale aussendet. Dadurch sollen die Ricken aufgeschreckt werden. Der Fahrer hat dann die Möglichkeit, rechtzeitig anzuhalten und zu schauen, ob an der entsprechenden Stelle auch ein Kitz liegt. Denn die Jungtiere reagieren nicht auf den Lärm. Und Landwirte, die einmal miterlebt haben, wie ein Kitz unter den Mähbalken gerät, bekommen dieses Bild meist ihr Leben lang nicht aus dem Kopf. Also wollen sie vorab handeln, um gar nicht erst in eine solche Situation zu kommen.

Noch sicherer als mit dem elektronischen Wildretter ist es jedoch, wenn die Flächen vorher abgelaufen werden. Zu so einer Aktion hatte am vergangenen Sonntag Andreas Kallähne aus Lütte aufgerufen. Als er mit dem Vorschlag an Nikolai Schulte herantrat, war dieser sofort einverstanden. Andreas Kallähne ist selbst Jungjäger und hat sein Jagdrevier genau in dem Gebiet der zu mähenden Wiesen. Für ihn steht der Schutz der Ricken und Kitze ganz oben. „Denn als Jäger bin ich nicht nur für die Regulierung des Wildbestandes, sondern auch für die Hege verantwortlich“, so Kallähne. Letztendlich ging es aber nicht nur um die Kitze, sondern auch um Vögel, die auf den Wiesen brüten. Zu ihnen gehören unter anderem Trappen, Brachvögel, Kiebitze, Feldlerchen und Wiesenweihen. Deshalb wies er die Teilnehmer der Aktion im Vorfeld  darauf hin, auch auf Gelege zu achten. Er weiß aber auch, dass ein Restrisiko bestehen bleibt. Da hat dann der Trecker mit seinem acht Meter breiten Mähwerk keine Chance. „Ich hoffe aber, dass wir durch den Lärm und den menschlichen Geruch die Ricken mit ihren Kitzen zumindest vorrübergehend vertreiben können“, so Andreas Kallähne. Dabei wird das gemacht, was eigentlich verboten ist – die Beunruhigung von Wild.

So trafen sich auf die persönliche Initiative von Andreas Kallähne hin 17 Leute zur Kitzrettung in Lütte. Dabei waren Einwohner des Ortes, aber auch Mitglieder vom Verein Blühstreifen aus Beelitz. Kerstin und Lutz hatten aus der Presse von der Aktion erfahren und waren extra nach Lütte gekommen. Dabei waren auch drei Hunde, wobei man jedoch darauf achten musste, dass diese dem Kitz nicht zu nahe kommen und so den Hundegeruch auf das Jungtier übertragen. Insgesamt wurden 200 Meter Schleppleine benutzt. Die Leine wird an Stöcken befestigt, leicht gespannt und über das Gras gezogen. Durch das Geräusch werden sowohl Wild als auch Vögel aufgeschreckt. Die Kitzretter mussten langsam laufen. Zum einen, um sich eventuelle Stellen merken zu können, wo ein Reh aufgesprungen ist, zum anderen, um nicht auf die Gelege von Bodenbrütern zu treten.

Etwas zwei Stunden waren die Freiwilligen unterwegs, um ein bisschen Vorlauf zu haben. Denn gegen Mittag sollte die Mahd beginnen. Vom ausgebildeten Jagdhund wurden vier Ricken und ein Bock hochgemacht. Mehrere Liege- und Schlafstellen wurden entdeckt, jedoch kein Kitz. Allerdings fand man ein von einem größeren Räuber gerissenes Reh. Andreas Kallähne vermutet, dass es im Revier einen Wolf gibt. Schon einige Tage vorher hatte er auf der Pirsch ein vom Wolf gerissenes Reh gefunden. Da er dabei auch gleichzeitig erfolgreich einen Bock erlegt hatte, vermutete er, dass sich die Ricken durch die schon vor ein paar Tagen entstandene Unruhe aus dem Gebiet zurückgezogen hatten. Auch wenn sicher einige gern ein Kitz aus der Nähe gesehen hätten – man hatte extra Handschuhe für dessen Abtransport in sichere Gefilde dabei – war man doch froh, nichts gefunden zu haben. So konnte Lutz Muschert, seines Amtes Wehrführer der freiwilligen Feierwehr in Lütte, beruhigt den Traktor mit dem Mähbalken über die Wiesen lenken. Gemäht heute 30 Hektar, es wurden keine Verluste festgestellt, es kam also kein Tier zu Schaden. Gegen 18 Uhr führten die freiwilligen Helfer noch einmal eine Kontrolle durch. Alles war in bester Ordnung, denn Greifvögel wie Milan, Bussard oder Krähen hätten ansonsten die entsprechenden Stellen angezeigt.

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