Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-Bibliothek

Stephan Krawczyk in der Fläming Bibliothek

Rädigke. Wer erst knapp vor dem Auftritt des Liedermachers und ehemaligen DDR-Dissidenten Stephan Krawczyk in der Fläming-Bibliothek noch einen Parkplatz in der Rädigker Hauptstraße suchte, der hatte einige Mühe, einen zu finden. Die Autos kamen nicht nur aus Potsdam-Mittelmark, sondern mehrere auch aus Teltow-Fläming, Dessau-Roßlau und Berlin. Einige wollten nur die Gelegenheit nutzen, den noch aus DDR-Zeiten bekannten Künstler einmal selbst zu erleben. Andere, wie zum Beispiel der SPD-Politiker Günter Baaske wollten den Musiker, den sie lange Zeit nur über das Internet gehört hatten, endlich wieder einmal auf der Bühne erleben. Veranstalter Steffen Gommel erinnerte sich sogar noch an Konzerte aus Krawczyks Thüringer Zeit.

Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-BibliothekGroß vorstellen musste Gommel Krawczyk nicht. Er zitierte nur kurz aus dem Band „Wer ist wer in der DDR“ vom Ch. Links Verlag und fügt hinzu, dass Krawczyk in diesem Nachschlagewerk auf einer Seite mit Egon Krenz stünde. Das war dann fast schon der parteipolitischste Teil des Abends, auch wenn Krawczyk natürlich nicht umhinkam, immer wieder einmal auf seine Biografie zu verweisen. 1976 trat er in die SED ein, 1985 wieder aus. Er bekam Berufsverbot – „Aus ihrem Mund klingt sogar Brecht wie ein Staatsfeind“ – und wurde von der Staatssicherheit überwacht. Während man in der DDR manchmal Jahre auf ein Telefon warten musste, bekam Krawczyk seines bereits nach vierzehn Tagen:

„Die wollten mithören.“

1988 wurde er in die Bundesrepublik abgeschoben. Während Nina Hagen dort „alles so bunt“ fand, stellte Krawczyk fest:

„Im Grau kam der einzelne Mensch besser zur Geltung.“

Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-BibliothekAll das spielte an dem Abend in Rädigke auch eine Rolle, aber es dominierte ein anderer, ein humorvoller, weicher Ton. Immer wieder fand Krawczyk poetische Bilder, sprach sich für einen fürsorglichen Umgang miteinander aus. Er feierte den heutigen Tag:Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-Bibliothek

„Morgen bin ich schon ein anderer, mich verwandelt jeder Tag.“

Oder er setzte in Zeiten, in denen sich vor allem Hass und Dreck in den sozialen Netzen vermehren, sein Lied vom Clown von seiner Amiga-LP aus dem Jahr 1982 dagegen:

„Der sagt, was er meint und hat immer Vertrau’n – ‘S ist eben ein Clown!“

Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-BibliothekKrawczyk sang nicht nur, sondern las außerdem aus seine Büchern, zum Beispiel aus „Mensch, Nazi“, mit dem er auch an Schulen unterwegs ist. Oder aus seinem autobiografisch geprägten Roman „Der Narr“, wobei er sich in Rädigke auf eine Geburtstagsfeier voller Situationskomik und DDR-Kolorit konzentrierte. „Hier stehen so viele Bücher“, sagte Krawczyk mit Blick zu den Wänden des Saals, „da kann ich ja auch einmal eine längere Stelle lesen.“ Beim Publikum kam das gut an, immer wieder sind Ausrufe wie „herrlich“ zu hören. Überhaupt konzentrierte sich Krawczyk an diesem Abend auf Alltägliches und Zwischenmenschliches, auf Philosophie und Humor. Er animierte zum Mitsingen, improvisierte und war flexibel in den Formen. Sein Programm war ein Gesamtkunstwerk aus Liedern, Romanen, kurzen Versen und Lautmalereien. Krawczyk feierte die deutsche Sprache als eine der reichsten Sprachen überhaupt. Insgesamt war es wieder einmal ein toller Abend im Gasthof Moritz, in dem die Fläming Bibliothek zu Hause ist. Wenn ein Wunsch übrig geblieben sein sollte, dann der, ein wenig mehr heutigen Dissidenten zu erleben.

Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-Bibliothek

Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-Bibliothek

Stephan Krawczyk, Rädigke, Fläming-Bibliothek

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