Bad Belzig: Kuntz unterhält nicht nur an der Orgel – Eisenhardt und Orgelmuseum auf dem Programm der Chronistenvereinigung

Bad Belzig. Ein Lächeln im Gesicht, große Augen und tolle Weisen, so könnte man den Eindruck beschreiben, den die Chronisten aus dem Landkreis Potsdam-Mittelmark (CPM) bei ihrer Exkursion in der St.Marien-Kirche in Bad Belzig auf einen unbeteiligten Beobachter gemacht haben dürften. Die Führung durch das Orgelmuseum, für die sich der Bad Belziger Kantor Winfried Kuntz viel Zeit ließ, war ein voller und umfassender Genuss.

In dem schlichten Innenraum der Kirche entdeckten die Besucher sechs Orgeln. „Eine weitere haben wir verliehen und eine befindet sich im Depot“, erläuterte der Kantor den eigentlichen Bestand des erst im Jahr 2014 gegründeten Museums. Es ist das einzige Orgelmuseum im Land Brandenburg.

Kantor Kuntz zeigte sich als spannender Erzähler, seine Augen leuchteten als er von der Geschichte des Instruments berichtete. „Es war zuerst ein Unterhaltungsinstrument, eigentlich im Orient entwickelt, danach bei uns in Vergessenheit geraten und als Geschenk für Pippin wieder hierhergekommen“, berichtete Kuntz. Erst als die gebildeten Mönche das Instrument weiterentwickelt haben, gewann es an Größe und Bedeutung, es folgten die Dom-Kirchen und schließlich die Kirchen der Ratsherren und Kaufleute. Die Orgel hat damit ihren Siegeszug fortgeführt.

Seinen Rundgang begann Kuntz mit dem kleinsten Exponat, einem Tischportativ. „Die kleinste Orgel stellt ein Tischportativ dar, welches der ehemaligen und 2011 verstorbenen Kantorin Thea Labes gehörte. Mit einer Hand betätigt man den Balg, mit der anderen können ein- oder zweistimmige Stücke auf sehr schmalen Tasten und mit 25 Pfeifen gespielt werden“, so der Kantor, der sofort die Funktionsweise verführte.

Danach stellte Kuntz die Kabinetts-Orgel vor. Sie stand davor in Groß Briesen. „Die Orgel kann wahlweise über einen Fußhebel oder mit einem Gebläsemotor mit Wind versorgt werden und hat nun ihren endgültigen Standort an akustisch herausragender Stelle auf der Chorempore“, zeigte Kuntz nach oben und stürmte los, um auch dieses Instrument erklingen zu lassen. Dabei wies er auf eine Besonderheit, einen Glöckchenklang, einen Cymbelstern, der im Inneren angebracht ist.

Danach setzte sich der Kirchenmusiker und Orgelexperte, der auch Gutachter ist, an die 1867 vom Dessauer Hoforgelbauer Giese für die Dorfkirche in Ilbersdorf erbaute Orgel. 2006 wurde die dortige Kirche baupolizeilich geschlossen, der Tornado von 2011 hat sie weiter schwer beschädigt und sie soll nicht mehr für gemeindliche Zwecke hergerichtet werden. „Nachdem sich jetzt die Kirchendecke auf die Orgel gelegt hatte bestand Handlungsbedarf und das original erhaltene Instrument konnte dank einer Spende abgebaut und nach Bad Belzig transportiert werden. Die jetzt eingelagerten Teile, das Gehäuse und die Windladen sind in recht gutem Zustand, das Pfeifenwerk komplett“, so der Bericht.

Hier zog der Kantor alle Register und erläuterte die Unterschiede und die Wirkungsweise der Pfeifen. Keine Frage konnte Kuntz in Verlegenheit bringen. Egal ob es um die Instrumente in Lübeck, Brandenburg/H. oder Glindow und Radewege ging, Kuntz kannte die Orgeln und die Orgelbauer. Er wies auf den Weißbäcker Turley aus Treuenbrietzen hin, der nebenher Orgeln baute und im ganzen Land verkaufte sowie erläuterte die Biographien von Silbermann bis Schuke.

Auch ein Schuke-Instrument steht in der Kirche. „Es ist eine für die Dorfkirchen typische Orgel“, so Kuntz und er wies auf den sichtbaren Blasebalg hin und erzählte:

„Mit dieser technischen Einrichtung, die bei pneumatisch gesteuerten Orgeln häufig zu finden ist, kann mit wenigen Registern der Klangreichtum erheblich vergrößert werden: Zu den drei Pfeifenreihen, alle in der Normallage (Äquallage) werden jeweils zwölf kleine Diskantpfeifen hinzugefügt, um die Illusion einer Orgel mit sechs Registern zu erreichen. Der Orgelbauer und die Gemeinde sparen so den Platz und die Kosten von 126 Pfeifen. Das Werk wurde in Toppel nicht mehr benötigt und nach einer Restaurierung durch die Erbauerfirma als Leihgabe in Bad Belzig aufgestellt, wo es mit seinem voluminösen Klang annähernd die ganze Stadtkirche zu beschallen vermag“.

Den Höhepunkt der Führung bildete die Papenius-Orgel, die Hauptorgel der Stadtkirche. „Die ursprüngliche Hordorfer Orgel (Hordorf bei Oschersleben) konnte vor dem Einsturz des Turmes und des Dachstuhls der Kirche rechtzeitig geborgen werden. Sie wurde von 1975 bis 1979 vom Potsdamer Schuke Orgelbau unter Verantwortung von Gernot Schmidt restauriert“, heißt es in einer Erläuterung neben der Orgel.

„Nach der vorgefundenen Substanz war die Wiederherstellung der originalen Disposition wie auch die Instandsetzung der gesamten technischen Anlage möglich. Die erst nach Abschluss der Arbeiten wiedergefundenen Akten aus dem 18. Jahrhundert bestätigen, dass die Erneuerung der barocken Disposition genau dem Kostenanschlag und Vertrag von 1746 folgte“, heißt es weiter. Soweit die Geschichte, für die Orgel wurde eigens eine Empore gebaut, so dass bei Konzerten alle Besucher nicht nur den Anblick der Orgel genießen können, sondern auch den Organisten sehen.

Ein Clavichord in historischer Bauweise und ein aufwändig gestaltetes Harmonium aus der Bricciuskirche Bad Belzig komplettieren die Instrumentensammlung.

Die Chronisten zeigten sich von der Führung begeistert und folgten dem Kirchenmusiker gerne von Instrument zum Instrument, wo es jedes Mal auch eine Hörprobe gab.

Danach referierte Monika Schwarz über die Kirchenfenster und stellte die Neuerscheinung des CPM-Mitglieder Helga und Günter Kästner vor. Die beiden haben den vierten Teil der Reihe „Unvergessene Belziger“ fertiggestellt, darin 43 Porträts von teilweise unbekannten und vergessenen Belzigern.

Da waren die 26 Chronisten schon seit über sechs Stunden in der Kurstadt unterwegs. Das Treffen begann um 10.00 Uhr an der Burg Eisenhardt mit einer Führung durch Günter Franz und der Vorstellung der Sankt-Briccius-Kirche durch Gerd Pohl vom Gemeindekirchenrat.

Schon im kommenden Monat werden sie wieder in den Hohen Fläming wieder kommen. Am 13.10. findet im Gutshaus Klein Glien eine Wikipedia-Schulung statt.

Visits: 46

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hol dir die App

Ab sofort kannst du Zauche 365 ganz bequem auf deinem Smartphone lesen.

Login
Jeder veröffentlicht seins.

Deshalb freuen wir uns sehr, dass du mitmachen möchtest. Bevor du jedoch auf Fläming 365 Artikel veröffentlichen kannst, musst du dich registrieren lassen. Das dient deiner und unserer Sicherheit. Fülle deshalb bitte das folgende Formular aus: