Stillenden Wolfsmüttern und Welpen droht Hinrichtung von Amtswegen – Praxisleitfaden zum Wolf ist Rückfall in düsterste Barbarei

Bad Belzig. Der von der Konferenz der Umweltminister des Bundes und der Länder (UMK) vorgeschlagene Praxisleitfaden zum Wolf bei Nutztierrissen¹ sieht die Entnahme (gezielte Tötung) von stillenden Wolfsmüttern, deren Welpen und ganzen Wolfsfamilien (Rudel) vor. Im Detail steht auf Seite 31 geschrieben:

“… wenn die eingetretenen bzw. drohenden ernsten wirtschaftlichen Schäden so schwerwiegend sind … Ist die Entnahme beider Elternteile oder einer laktierenden Fähe in besonderen Ausnahmefällen erforder-lich, so ist sicherzustellen, dass die zugehörigen Welpen … gefangen oder entnommen worden sind.”

Weiter heißt es unter “sukzessive Entnahme” schlimmstenfalls ganzer Wolfsfamilien auf Seite 20:

“… der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels … auch ohne Zuordnung der Schäden zu ei-nem bestimmten Einzeltier bis zum Ausbleiben von Schäden fortgeführt werden darf.”

Wölfe jagen von Natur aus. Sie tun dies, um sich und ihre Familien arttypisch zu ernähren. Dabei werden hin und wieder unzureichend oder nicht geschützte Weidetiere gerissen. Diese machen weit weniger als ein Prozent der Nahrung von Wölfen aus. Lediglich 0,29 Prozent der in 2019 in Brandenburg gehaltenen Schafe wurden von Wölfen gerissen². Dagegen gehen durch Totgeburten, falsche Haltung, Krankheiten und Witterung 10 Prozent und mehr der in Deutschland gehaltenen Nutztiere verloren. “Ernste wirtschaftliche Schäden” drohen und entstehen dem Nutztierhalter demnach nicht durch Wölfe, sondern aufgrund anderer Ursachen. Dazu gehört übrigens auch die vollkommen unzureichende Vergütung von Nutztierleistungen.

Stillende Wolfsmütter und ihren wenige Wochen alten Nachwuchs sowie komplette Wolfsfamilien unter dem Vorwand der Abwendung ernsthafter wirtschaftlicher Schäden töten zu wollen, entbehrt jeglicher Logik. Zudem verhindert eine solch mittelalterlich barbarische, zutiefst unwissenschaftliche und absolut unethische Tötungspraxis keine Nutztierrisse. Im Gegenteil, Wölfe aus Familienverbänden töten, fördert Nutztierrisse. Das ist wissenschaftlich klar belegt. “Große und stabile Wolfsfamilien sind deutlich bessere Nachbarn für Nutztierhalter als zerschossene und fragmentierte Haufen junger Wölfe ohne führende Elterntiere”³. Eltern, Kinder oder gar ganze Familien dieser hochsozialen Tiere hinzurichten, widerspricht zudem allen anerkannten Normen einer modernen und auf humanistischen Prinzipien beruhenden Zivil-gesellschaft, wie sie Deutschland für sich beansprucht.

Familien stehen laut Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik Deutschland “unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung”. “Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft”, heißt es dort weiter. Dies darf nicht länger nur für Menschen gelten, sondern auch für Wölfe und andere Tierarten. Schließlich weisen Wolfsfamilien mit Freude, Trauer und gegenseitiger Zuneigung sowie Fürsorge die gleichen hochsozialen Bindungsmerkmale auf wie wir Menschen.

Amtliche Anweisungen zur Hinrichtung von Familien einer streng geschützten Schlüsselart wie dem Wolf sind auch angesichts der global abstürzenden Biodiversität fatal. Der weltweit dramatische Artenverlust bedroht mittlerweile alles uns bekannte Leben auf diesem Planeten, einschließlich der Menschheit. So fordern mit den “Apocalypse Papers” immer mehr Wissenschaftler weltweit einen sofortigen und radikalen Paradigmenwechsel bei der Art und Weise wie wir Menschen leben, konsumieren und Nahrung produzieren4. Es geht nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um das weltweit drohende Massenaussterben. Eine rapide zunehmende Anzahl an Pflanzen- und Tierarten verliert ihre natürlichen Lebens-räume, insbesondere durch Umfang sowie Art und Weise heutiger Landwirtschaft4. So beträgt der Anteil von Nutztieren an der globalen Biomasse aller Säugetiere heute schon 60 Porzent. Menschen machen 36 Porzent und Wildtiere nur noch 4 Prozent aus5.

Anstatt streng geschützte Schlüsselarten wie den Wolf aus rein wirtschaftlichen Gewinninteressen weiter abschlachten zu wollen, ist es vielmehr allerhöchste Zeit, den Irrsinn der Haltung von hunderten Millionen Nutztieren zwecks krankhaftem Überkonsum zu billig verkaufter tierischer Produkte zu beenden. In Deutschland braucht es nicht mehr sondern weniger Nutztierhaltung. Dadurch freiwerdende Flächen gilt es wieder in offene Lebensräume für Wölfe und andere einheimische Wildtierarten umzuwandeln. Natürliche Lebensräume stehen nicht nur uns Menschen zu, sondern allen Arten. Laut einem aktuellen UN-Bericht sind schon jetzt 70 Prozent der globalen Landfläche durch menschliche Aktivitäten stark verändert, vor allem durch eine sich immer weiter ausdehnende Landwirtschaft4.

Die Allianz Wolf Brandenburg lehnt jegliche Tötung von Wölfen in Brandenburg und überall kategorisch ab. Wir fordern dagegen weniger Nutztierhaltung auch auf Weiden, um Wölfen und anderen Wildtieren mehr freien Naturlebensraum zurückzugeben und zu erhalten. Wo Weidetierhaltung weiter stattfindet, muss wirksamer Herdenschutz konsequent gefördert und strikt eingefordert werden. Wiederholt unverantwortlich handelnde Nutztierhalter sind zu bestrafen, anstatt diese aus Steuermitteln zu entschädigen und medial zu hofieren.
Wir von der Allianz Wolf Brandenburg werden weiter unseren Beitrag dazu leisten, jeden Täter auf legalem Wege zur Strecke zu bringen, der an der Ermordung von Wölfen mitwirkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob Wolfsmorde mit oder ohne amtliche Genehmigung erfolgen, verstoßen diese doch in jedem Falle gegen ethische Grundsätze, Tierrecht und international geltende Artenschutzgesetze. Bundes- und Landesbehörden sollten deren Einhaltung durchsetzen und dabei endlich Wilderei gegen Wölfe konsequent strafrechtlich verfolgen, anstatt die Tötung von Wolfsfamilien offiziell zu befördern.

1″Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen”, Fassung UMK-Umlaufverfahren, Oktober 2021
2Liste, H.-H., 2021: “Der Wolf symbolisiert die ungezähmte Natur“, Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ), 12/13.06.2021
3Dutcher, J.& J., 2018: “The Wisdom of Wolves”, S.134
4Tigue, K., 2022: “Apocalypse Papers: Scientists Call for Paradigm Shift as Biodiversity Loss Worsens”, Inside Climate News, 29.04.2022
5Bar-On et al., 2018: “The biomass distribution on Earth”, PNAS, 115 (25)
_______________________
ALLIANZ WOLF BRANDENBURG
Hermann-Lielje-Str.1
14806 Bad Belzig
T: +49-(0)15112426248 (Dr. Hans-Holger Liste, Sprecher)
E: kontakt@allianz-wolf-brandenburg.de
www.allianz-wolf-brandenburg.de

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