Treuenbrietzen. Schnell herrscht eine familiäre Atmosphäre in der Aula der Gesamtschule Treuenbrietzen. Nach der erfolgreichen Veranstaltung in Bad Belzig findet das zweite Radio Courage Erzählcafé statt. Organisiert hat es das Diakonische Werk im Landkreis Potsdam-Mittelmark e.V.
Episoden aus dem eigenen YouTube-Kanal von Radio Courage
In dem YouTube-Kanal von Radio Courage stellen Schüler Menschen vor, die in bestimmten Situationen Mut bewiesen haben, das richtige zu tun. Insgesamt sind bisher 26 Episoden von Radio Courage entstanden. In diesem Jahr ging es vor allem um den Mut in der Wendezeit. Zu den von den Schülern interviewten Personen gehörten u.a. Wilfried Westram, Marina Kanisch, Jürgen Lüdersdorf. Die drei Videos, die aus den Gesprächen der Schüler mit ihnen entstanden, wurden auf der Veranstaltung gezeigt. Diese Begegnung der Schüler, die damals noch nicht geboren waren, mit denen, die sich als Zeitzeugen schon furchtbar alt vorkommen, berührt alle im Saal. Entstanden waren die Filme nach langen Gesprächen bei einem Treffen im Sommer in Reetz.
Zwischen den Jugendlichen und den von ihnen befragten die Zeitzeugen der Wende von 1989 war offensichtlich Vertrauen gewachsen. Aber auch ihre Gäste in der Aula genossen schnell die Gelegenheit, sich zu erinnern und Meinungen auszutauschen. Gerhard Wegner zum Beispiel hat extra ein Foto der ersten frei gewählten Abgeordneten des Kreistages des damaligen Kreises Jüterbog mitgebracht. Er war von 1990 bis 1994 selbst Mitglied dieses Kreistages.
Historische Einordnung
Zuvor ordnete Kerstin Lorenz das damalige Geschehen noch einmal ein. Sie macht deutlich, dass für die damals handelnden viele existentielle Fragen noch offen waren: Wird die DDR ein selbständiger Staat bleiben? Solle er das überhaupt? Wollen wir die Macht übernehmen, und haben wir die Kraft dazu? Bleibt die Sowjetarmee in den Kasernen? Erst dadurch wird der Mut, der damals gebraucht wurde, emotional nachvollziehbar.
Auch Bürgermeister Michael Knape ging in seinem Grußwort auf die damalige Zeit und auf den Begriff der Wende ein:
„Was heißt Wende? Umdrehen und zurück? Oder kurz umdrehen und weiter so?“
Die Aula der Gesamtschule Treuenbrietzen
In einem Podiumsgespräch reflektieren die Jugendlichen und die Erwachsenen noch einmal, wie es ihnen mit dem Projekt ergangen ist. Am meisten zeigten sich die Zeitzeugen von der Offenheit der Jugendlichen beindruckt, wie nicht nur Westram betonte. Ilse Wandel, eine der Zeitzeuginnen, deren Film in Bad Belzig zu sehen war, ist „froh, diese Jugendlichen kennengelernt zu haben“.
Schnell wird klar, dass die Veranstaltung an historischer Stätte stattfand. In dieser Schulaula fand am 2. November 1989 die erste Versammlung der friedlichen Revolution in Treuenbrietzen statt. Damals waren so viele Menschen gekommen, dass mittels Lautsprecher nach draußen übertragen werden musste.
Das Erzählcafé von Radio Courage
Höhepunkt der Veranstaltung ist das namensgebende Erzählcafé. Initiator, Moderator und Veranstalter Sven Gatter vom Diakonischen Werk fordert die Anwesenden auf, sich paarweise zusammenzufinden, möglichst jung und alt. Einer der Partner solle dem anderen seine Gedanken, Erfahrungen und Emotionen zum Thema „Über Leben im Umbruch“ erzählen. Der andere soll nur zuhören. Wie intensiv dieses Format wirkt, lässt sich an der Mimik und der Gestik der Beteiligten ahnen.
In der Abschlussrunde griff Eberhard Brendel noch einmal die Fragen von Knape auf. Auch er mag den Begriff Wende nicht:
„Eine Wende ist etwas, was ein Kapitän mit einem Schiff macht. Es ist etwas, das mit einem gemacht wird. Deshalb rede ich lieber von der friedlichen Revolution.“
Umrahmt wurde die Veranstaltung von Kevin Bade am Saxophone und dem Treuenbrietzener Schüler Florian Sönksen am Klavier.
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