Der Moderator vom Dienst – Geschichten von und über Werner Senst

Wiesenburg. Jeden Nachmittag ab etwa 16 Uhr wird es gemütlich im Garten von Regina und Werner Senst aus Wiesenburg. Dann kommen Freunde und Bekannte zusammen und es wird einfach nur getratscht, manchmal bis abends um zehn. Erst kürzlich feierte Werner Senst seinen 80. Geburtstag. Überraschend stand vor dem Insektenhotel im Garten plötzlich ein Frosch. Werner Senst weiß immer noch nicht, von wem das Geschenk stammt.  Der erste Gratulant stand bereits früh um halb 8 vor der Tür. „Ich organisiere jetzt dein Geschenk“, sagte er, „ich gieße Deine Blumen“. Darüber freute sich der Jubilar so richtig, denn seit dem Beginn seines Rentnerlebens sind Dahlien das Hobby des Ehepaares. Über 60 Knollen haben sie gepflanzt und die wollen gepflegt werden. Und ein Ende ist nicht abzusehen, denn gefällt ihnen eine Blüte, wird die Pflanze auch gekauft.

Lehrer gesucht

Werner SenstDas Leben von Werner Senst ist geprägt von ehrenamtlicher Tätigkeit. Den meisten aus der Region ist er als Moderator der verschiedensten Veranstaltungen bekannt. Gelernt hat er Sattler und Tapezierer und war in seiner Jugend ein hervorragender Geräteturner. Sein Wissen gab er auch an die Jüngeren weiter. Jedoch kam 1958 Klaus Wallaschek, Schulleiter in Reetz, zu ihm in die Turnhalle. Damals gab es den Aufruf der Regierung: Wir suchen Lehrer! „Willst Du nicht Lehrer werden“, fragte dieser, denn er hatte beobachtet, wie Werner Senst mit den Kindern umging. Werner Senst war einverstanden, die Eignungsprüfung bestand er und er ging zum Institut für Lehrerbildung (IfL) nach Potsdam. Von dort aus wurde er zu den DDR-Meisterschaften im Geräteturnen angemeldet. Gleich bei der ersten Teilnahme wurde er DDR-Meister am Boden, am Barren und beim Sprung. Viele Fotos von den Meisterschaften waren in der Trainingshalle ausgestellt. Die meisten wurden jedoch bei einem Brand vernichtet, nur zwei davon konnten gerettet werden und haben nun einen Ehrenplatz im Wohnzimmer.

Werner SenstDas Lernen fiel Werner Senst doch schwer. So ging er zur Direktorin des IfL mit dem Wunsch, die Sache mit dem Lehrerstudium aufzugeben. Diese stellte ihm jedoch einen Studenten aus dem 3. Studienjahr zur Seite und so wurde täglich zwei Stunden am Nachmittag gebüffelt. Nach einem Jahr erhielt er ein Sonderstipendium, hatte damit also 100 Mark mehr in der Tasche als alle anderen. Die Unterstützung zeigte Wirkung, Werner Senst bestand seine Prüfungen mit einer glatten 1. Er unterrichtete alle Fächer in der Unterstufe, da aber anfangs Sportlehrer fehlten, gab er die ersten beiden Jahre nur Sportunterricht in allen Klassenstufen.

Prüfung bestanden

Dann erhielt er das Angebot, die Schule in Linthe als Schulleiter zu übernehmen. Das Kind des größten Bauern des Ortes war das einzige, welches damals keine Jugendweihe hatte, nur Konfirmation. Ihm war der junge Schulleiter nicht ganz geheuer und er verbreitete im Dorf, er würde diesen total betrunken machen und ihn mit der Schubkarre nach Hause fahren. Da hatte er aber die Rechnung ohne Werner Senst gemacht. Der trank auf der Feier mit allen Mädels einen Schnaps, dann mit den Jungen Bier. Mensch, der verträgt ja was, stellte der Bauer fest und führte ihn in seinen Weinkeller, wo die Zechtour weiter ging. Aber früh um 3 konnte Werner Senst immer noch allein nach Hause gehen und hatte sich so Respekt erworben.

Sozialistische Eheschließung

Inzwischen hatte Werner Senst seine jetzige Ehefrau Regina kennengelernt. In Wiesenburg machte man ihm das Angebot, er könne sich eine Wohnung in den damals gerade errichteten Neubauten in der Hasenheide aussuchen. Bedingung, er müsse heiraten. Das erzählte Werner Senst seiner Schwiegermutter. Die wollte jedoch, dass er in die Kirche eintrat. Das verweigerte er, war doch gerade Parteimitglied geworden. Die Hochzeit fand trotzdem statt und war die erste und letzte sozialistische Eheschließung in Reppinichen. Die Partei hatte alles von vorn bis hinten organisiert, seine Schulklasse stand Spalier. „Es war eine schöne Hochzeit“ erinnert er sich noch heute. Zu dem Schluss kam auch seine Schwiegermutter – allerdings erst drei Tage später. „So schön wäre es in der Kirche nicht gewesen“, sagte sie.

Im Ehrenamt

Ehrenamtliche Tätigkeit war für Werner Senst schon immer selbstverständlich. 21 Jahre moderierte er das Wiesenburger Chortreffen, 25 Jahre die Reetzer Karnevalsgesellschaft, 21 Jahre das Treckertreffen in Medewitz, 13 Jahre das Pfingstkonzert im Wiesenburger Schlosspark. Als das erste Bettenrennen in Fredersdorf stattfinden sollte, wurde er vom damaligen Bürgermeister Peter Kiep angesprochen. Die SED Kreisleitung war der Meinung, es ginge gar nicht, dass Peter Kiep als Bürgermeister so etwas Kurioses moderiert. So sprang Werner Senst ein. 18 Jahre lang war er mit dem Feuerwehrorchester Görzke unterwegs, nach der Wende auch in den alten Bundesländern. So spielte das Orchester auch in einem Erlebnisbad auf, die Familien der Musiker waren fast immer mit dabei. So vergnügte sich Sohn Stefan mit Ehefrau Regina im Wasser und sie kamen mit einer fremden Frau ins Gespräch. Diese fand den Aufenthalt auch sehr schön, auch die musikalische Unterhaltung. Daraufhin sagte der kleine Stefan: „Und der da vorne singt, das ist mein Papi“. Da war Werner Senst schon sehr stolz auf seinen Sohn.

Jugendstunden

18 Jahre lang leitet Werner Senst die Jugendstunden in Wiesenburg. Ihm ist es zu verdanken, dass die Jugendlichen engen Kontakt zum DDR-Fernsehen hatten. Er fuhr einfach hin und unterhielt sich mit den dortigen FDJ-Funktionären. So kam ein Vertrag zustande. Jedes Jahr kam ein Festredner aus Berlin zur Feierstunde, unter anderem auch Nachrichtensprecher Klaus Feldmann. Die Schüler durften, natürlich mucksmäuschenstill, bei einer Sendung der „Aktuellen Kamera“ dabei sein und sich die Arbeit hinter den Kulissen ansehen. „Herr Senst, das sind ja alles Westapparate“, staunten sie nicht schlecht, denn Marken wie Grundig und Blaupunkt waren auch in der DDR bekannt. Während der Aufenthalte wurden sogar Filme gedreht, die leider nach der Wende alle vernichtet wurden. Das stimmt Werner Senst auch jetzt noch traurig.

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