Kreisvolkshochschule Potsdam-Mittelmark: Keine Angst vorm bösen Wolf

Bad Belzig. Am 9. Oktober  fanden sich insgesamt elf Interessierte, darunter Schafszüchter, Jäger und Züchter von Herdenschutzhunden (Pyrenäenberghunde) zur Veranstaltung zum Thema “Der Wolf im Landkreis Potsdam-Mittelmark“ in der Kreisvolkshochschule ein. Der ehemals in Deutschland ausgerottete Wolf ist eine nach deutschen und EU-Recht streng geschützte Tierart mit stark wachsender Population. Dies führt natürlich zu Veränderungen beim Wild sowie Interessenkonflikten mit und zwischen den Landnutzern, wie Bauern, Förster, Jäger, Erholungsuchenden. Gründe dafür sind die derzeitigen Wolfsrisse, aber auch althergebrachte Ängste. „Wir müssen wieder lernen, mit dem Wolf zu leben“, so die die ehrenamtliche Wolfsbeauftragte im Land Brandenburg und Diplom-Biologin, Frau Dr. Anja Kayser. Die letzten amtliche Erhebungen und Übersichtskarten zur Wolfspopulation und deren Entwicklung stellte Frau Kayser vor in anschaulicher und unterhaltsamer Weise vor. Sie kann unter folgendem Link auch noch einmal nachgelesen werden.

https://lfu.brandenburg.de/lfu/de/aufgaben/natur/wer-macht-was-beratungsangebote/woelfe-in-brandenburg/entwicklung-des-wolfbestandes-im-land-brandenburg/

Nach neuestem Stand zählt Brandenburg 47 Rudel, 10 Paare und 155 Welpen.“ Ganz final sind diese Zahlen noch nicht“ erklärt  Anja Kayser. Derzeit läuft die Abstimmung mit anderen Bundesländern, was die grenzübergreifenden Rudel betrifft. So können sich immer noch geringfügige Änderungen ergeben.

Der Fläming rund um Belzig mit insgesamt sieben Rudeln im Zeitraum 2019/2020 zählt in Brandenburg zu einem der am dichtesten mit Wölfen besiedelten Gebieten. Das liegt unter anderem an der landschaftlichen Struktur mit hohem natürlichem Nahrungsangebot und Rückzugsgebieten wie ehemaligen und sogar aktuell genutzten Truppenübungsplätzen.

Ein Rudel besteht hierzulande meist aus den Eltern-Tieren, den diesjährigen (2 bis 5) und den letztjährigen Welpen (2 bis 3). Im Alter von zwei Jahren verlassen die Jungwölfe ihr Eltern-Rudel und suchen sich ein eigenes Revier. Dabei werden längere Wanderungen von bis zu 1000 Kilometern unternommen. Die Wolfsbesiedlung zieht sich so von – aus Brandenburger Sicht – Süd-Osten nach Nord-Westen diagonal durch unser Land. Auf ihren Wanderungen kommen oft Jungwölfe zu Tode, meist auf Autobahnen und Bundesstraßen.

Kennzeichnend für den Wolf sind der dunkle Rücken, die helle Schnauze und der ausschließlich nach unten hängende Schwanz. Verwechslungsgefahr besteht mit deutschem Schäferhund, Husky und besonders dem Tschechoslowakischen Wolfshund. Nicht selten verursachen streunende Hunde Schäden, die dem des Wolfes sehr ähneln. Rund um Bad Belzig sind seit einiger Zeit mehrere Wolfsrudel zu verzeichnen, die auch vermehrt Nutztiere wie Rinder und Schafe angreifen.

Das Land Brandenburg fördert technische Schutzeinrichtungen wie Elektrozäune und die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Dazu können sich Betroffene auf der Internetseite des Landes Brandenburg unter

https://lfu.brandenburg.de/lfu/de/aufgaben/natur/wer-macht-was-beratungsangebote/woelfe-in-brandenburg/praeventionsmassnahmen%2C-standards-und-foerderungen/

informieren. Dort findet man Hinweise zu Präventionsmaßnahmen und die Richtlinien für Förderungen.

Angriffe auf Menschen durch Wölfe sind in Brandenburg bisher nicht bekannt geworden. „Der Wolf ist für den Menschen nur gefährlich, wenn der Wolf sich in die Enge getrieben fühlt. Und auch, wenn er verletzt oder krank ist“, erklärte Anja Kayser. Bei einer Begegnung mit einem Wolf ist es ratsam, sofern der Wolf einen selbst nicht wahrgenommen hat, sich ruhig zu entfernen. Eine direkte Begegnung sollte vermieden werden. „Hat der Wolf uns bemerkt, laut bemerkbar machen durch Rufen oder andere Geräusche  und ruhig weggehen. Selten gibt es auffällige Wölfe, die sich durch eine fehlende Distanz zum Menschen auszeichnen“, so Anja Kayser. Der Wolf sollte nicht an den Menschen und seine Siedlungen durch absichtliche oder unabsichtliche Fütterung wie Fleisch im frei zugänglichen Kompost oder anderes gewöhnt werden. Auch läufige Hündinnen können paarungsbereite Wölfe anlocken. Und beim Konflikt, wem ein Beutestück gehört, wie zum Beispiel das erlegte Reh bei der Jagd, kann es zu Auseinandersetzungen zwischen Wolf, Jagdhund und Jäger kommen.

Im Anschluss an den Vortrag  entspann sich eine angeregte, konstruktive Diskussion, bei der neben technischen Lösungen für Nutztierhalter als beste Wahl die Anschaffung von zwei bis drei Herdenschutzhunden erörtert wurden. Unter den Anwesenden waren Jessica und Steffanie Kühne aus Ragösen, Betreiberinnen der Zuchtgemeinschaft vom Truckerberg. Die beiden Frauen halten seit 2006 Schafe auf ihrem Grundstück in Ragösen. In Oktober 2010 bekamen sie ein Angebot, vier Brillenschafe aus Bayern zu kaufen, die sie auch gleich Anfang November holten. Es war leider kein Bock dabei. Diesen bekamen die beiden ein Jahr später durch ein glücklichen Zufall und so begannen sie mit der Brillenschafzucht. Ihr größter Erfolg war bis jetzt in der Grünen Woche 2014, da stellten Jessica  und Steffani Kühne den Bundessieger und den Vize- Sieger bei dem Brillenschafe.

2014 haben  sich die beiden dann einen Herdenschutzhund als Welpen besorgt, da die Schafe immer mal wieder von dem Wolf Besuch hatten. Der Französische Pyrenäenberghund ist ein Hund von einer bedeutenden Größe und majestätischer Haltung. Er ist stark gebaut und von kräftiger Struktur, besitzt aber eine gewisse Eleganz. Auf Grund seiner Verhaltensweisen ist dieser gut als Herdenschutzhund geeignet. So begannen Jessica und Steffani Kühne mit der Zucht. Da es aber eine Hobbyzucht ist, bekamen sie keine Förderung. „Bisher haben wir alle Maßnahmen zum Schutz unserer Herden allein gestemmt“, erzählt Jessica Kühne am Telefon. Angriffe durch den Wolf gibt es bei ihnen regelmäßig. Bisher seien zwar nur indirekte Schäden entstanden, aber auch diese sind erheblich, so Jessica Kühne. Denn die Tiere werden durch die Gegenwart des  Wolfs in Stress versetzt, was sich besonders bei tragenden Tieren auswirkt. So haben die beiden in diesem Jahr durch diesen ausgelösten Stress bereits acht Tiere bei der Lammung verloren. Trotzdem hat sich der Einsatz der Herdenschutzhunde gelohnt.

Die Lösung der Interessenkonflikte mit und durch den Wolf wird eine dringende Aufgabe aller Akteure auf gesellschaftlicher und politischer Ebene auch weiterhin bleiben.

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