Bernd Fredrich sprach im Hause Moritz über den abwesenden Herrn Hacks

Rädigke. Bernd Fredrich stellte in der Fläming Bibliothek in Rädigke den ostdeutschen, vielschichtigen Theaterdramatiker und Dichter Peter Hacks und dessen humorvollen Gedichte vor. Fredrichs Rezitationen komischer Gedichte von Busch oder der Frankfurter Schule um Robert Gernhardt sind längst kein Geheimtipp mehr. So waren auch an diesem Freitagabend in der für sich schon sehenswerten Fläming Bibliothek alle Plätze besetzt, unter den Besuchern Niemegks Bürgermeister Hans-Joachim Linthe; und auch die erste Wiederholung soll schon fast ausgebucht sein.

Dieses Mal also Peter Hacks, der wohl bisher sperrigste und umstrittenste Lyriker in Fredrichs langer Reihe. Selbst Hausherr Bernd Moritz bekannte in seiner kurzen Eröffnung des Abends, das Hacks „ein mir unbekannter Mann“ sei. Dabei war Peter Hacks einmal der meistgespielte lebende deutsche Autor auf deutschen Bühnen, Ost wie West. Man nannte ihn den „Goethe der DDR“, und André Müller meinte gar, es sei „als hätte ich mit Shakespeare gelebt“.

Jedenfalls hatte Bernd Fredrich schon lange gedrängt, wie Bernd Moritz berichtete, über Peter Hacks vortragen zu dürfen. Immer wieder hatte Corona einen Strich durch alle Planungen gemacht. Doch an diesem Abend stieg er souverän und detailreich ein mit dem Gedicht „Das Pflaumenhuhn“, das mit feinem Humor von einem Huhn, das Pflaumen statt Eier legte, einem Pflaumenbaum voller Eier und den Schwierigkeiten der Abweichung von der Norm erzählte.

Dass Bernd Fredrich dieses und andere Gedichte weitgehend auswendig vortrug, versteht sich bei ihm von selbst. Dabei besticht sein Vortrag durch Authentizität. Man nimmt es Fredrich einfach ab, dass er sich für den Dichter wirklich interessiert. Immer wieder ist begeisternd, mit welcher Liebe zum Detail Fredrich recherchiert. Selbstverständlich war er persönlich in der „Fenne“ bei Groß Machnow, dem Sommersitz von Hacks. Man muss diese Mischung aus Enthusiasmus, Detailversessenheit und Gedichten einfach erleben, um zu erfahren, warum so viele in die Fläming Bibliothek strömen, wenn es heißt, Bernd Fredrich trägt wieder Gedichte vor. Weil er begeistert ist, kann er andere begeistern.

Ein wenig mehr noch als in den vorherigen Dichter-Vorträgen stand dieses Mal die Biografie im Mittelpunkt. Mag sein, dass der Dramatiker Hacks nicht so viele humorvolle Gedichte geschrieben hat, wahrscheinlicher ist, dass seine Biografie so ungewöhnlich und auch unbekannt war, dass Bernd Fredrich sie ausführlicher erzählen musste.

Peter Hacks wurde am 21. März 1928 in Breslau ( Wrocław) geboren und starb am 28. August 2003 in seinem Haus bei Groß Machnow. Kriegsbedingt machte er ein Notabitur, studierte Theaterwissenschaften, Philosophie und Soziologie in München und promovierte 1951. Mit seiner Frau Anna Elisabeth Wiede übersiedelte er 1955 in die DDR. Bernd Fredrich berichtete weiter von Brechts Meisterklasse, der Arbeit als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und von dem Stück Die Sorgen und die Macht, mit dem der überzeugte Sozialist Hacks 1962 die SED-Führung in Aufruhr versetzte. 1962 folgte mit Der Frieden der erste große Theatererfolg für den inzwischen freiberuflichen Autor.

Weiter erzählte Bernd Fredrich über den Sozialisten, der gut bürgerlich und zum Schluss sogar in einer “Burg”  wohnte und in großem Stil Antiquitäten sammelte, der zahlreiche Geliebte neben seiner Ehefrau hatte, der Stalin mit der Venus verglich, Ulbricht schätzte und Honecker verachtete, der die Mauer auch noch nach deren Fall bewunderte, der Sarah Wagenknecht beim Studium finanziell unterstützte, der überhaupt ein schwieriger Mensch gewesen zu sein scheint, –  und der großartige Stücke und Essays schrieb. Hervorzuheben ist natürlich sein berühmtestes Stück Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe, das zu den weltweit erfolgreichsten deutschen Bühnenwerken des 20. Jahrhunderts zählt. Doch als Hacks Biermanns Ausbürgerung begrüßte, begann sein Stern zu sinken.

Immer wieder garnierte Bernd Fredrich seinen detailreichen Vortrag mit unterhaltsamen Gedichten von Hacks. Nie kommt Langeweile auf. Unnötig, dass Fredrich sich gelegentlich vergewissert, ob seine Zuhörer den DDR-Autor noch ertragen und sie sich nicht langweilen:

“Sie halten noch durch?”

Schade ist nur, dass der kleinbürgerliche Hacks so gar nichts vom Essen hielt. Zur Tradition der Fredrich-Vorträge gehört nämlich ein kulinarisches Extra aus der Moritz-Küche, passend zum dargestellten Autor. Natürlich gab es vom Gasthof Moritz dennoch etwas Schmackhaftes. Was hätte es gegeben, wenn die Hacks Gourmets gewesen wären?

Die zweieinhalb Stunden vergingen wie im Flug – und Besseres kann man kaum über den vorgestellten Dichter und den Vortragenden sagen. Wie die Hacks-Geliebte Karin Gregorek einst den Monolog der Frau von Stein in dem Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe mit Bravour bewältigte, so tat es auch Bernd Fredrich über Peter Hacks.

Er hatte sogar noch Luft für eine Zugabe, den durch Ebehard Esche berühmt gewordenen Hasen im Rausch von Sergei Michalkow.

Wer kann, sollte sich einen Platz an einem der Folgetermine ergattern. Der nächste Termin ist am 13. Januar 2023, 19 Uhr.

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