Jüdisches Leben in der Region Belzig

Bad Belzig. Bereits vor der offiziellen Eröffnung drängten sich die Besucher in die Marienkirche Bad Belzig zur Ausstellung über das jüdische Leben in der Stadt. Interessiert und auch betroffen lasen sie die Plakate über das Leben der jüdischen Bürger. Und auch derer, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens Verfolgten des Naziregimes halfen, sie versorgten und versteckten.

Die Ergebnisse der zweijährigen Recherchen konnten natürlich nicht komplett dargestellt werden. So gibt es auch verschiedene Bücher zu den Themen zu kaufen. Eine Publikation zur Ausstellung wird zum Jahrestag der Reichspogromnacht in diesem Jahr angestrebt.

Die Suche startete vor etwa drei Jahren im Internet. „Ganz banal google suche :belzig/jude/… . „, erzählt Benjamin Stamer, einer der Initiatoren der Ausstellung. Dann traf er auf  Wolfgang Thieme  im Verein Belziger Forum, der schon Ramona Stucki befragt hatte. Man holte Helga Kästner mit ins Boot, die zu vielen Namen, die bereits auf der Liste standen,  etwas sagen konnte. Hinzu kam unzählige Besuche in Bibliotheken und Archiven. Schließlich wurden private Personen aufgesucht, die Materialen hatten.

Zu den Gästen der Eröffnungsveranstaltung gehörte auch eine Gruppe von Schülern aus Israel. Bereits seit 13 Jahren gibt es einen regen Schüleraustausch mit unserer Region. Regelmäßig besuchen die Schüler sich gegenseitig, leben in Gastfamilien und schließen viele Freundschaften. Manchmal sind gerade große Veranstaltungen während der Zeit. So waren die Schüler sogar schon bei den Titanen der Rennbahn. Leiterin der Gruppe ist Anat Alon, die als Übersetzerin ins Hebräische fungierte.  Die Lehrerin begleitet die Schüler von Anfang an – und das ehrenamtlich. Für Anat Alon ist das nicht nur eine Aufgabe, der sie sich als Lehrerin verpflichtet fühlt, sondern auch ein ganz persönliches Anliegen. Auch ihre Eltern sind Opfer des Holocaust. „Die Kinder müssen unbedingt wissen, was passiert ist“, sagt sie und stellt sich dabei die Frage: Ist der Holocaust wirklich vorbei? Und muss diese Frage verneinen, denn auch heute müssen wir schon wieder aufpassen, was draußen passiert.

Diese Meinung äußerte auch Bürgermeister Roland Leisegang in seiner Eröffnungsrede. Außerdem stellte er für alle die Frage, was wir aus der Geschichte lernen können und vor allem sollten. „Das sind in erster Linie Verhaltensmuster“, sagte er, „denn es gab mehr als ein menschliches Versagen in der Geschichte“. Heute stellen wir uns die Frage, wann der „Stammtischhass“  umschlägt und mehr als nur eine Gruppe von Menschen erfasst.

So wie in Deutschland unter anderem Stolpersteine zur Erinnerung an in den Konzentrationslagern ermordeten Juden vor deren Wohnhaus verlegt werden, gedenkt man auch in Israel nichtjüdischer Personen, die sich dem Naziregime widersetzten. Dazu wurde die „Allee der Gerechten unter den Völkern“ angelegt – für jeden Namen wurde seit 1962 ein Baum gepflanzt. Der bekannteste ist wohl Oskar Schindler, dessen Geschichte schließlich verfilmt wurde.

Auch Pfarrer Matthias Stephan würdigte die Ausstellung und sieht es als ein Zeichen später Anerkennung, dass diese gerade in der Kirche zu sehen ist. Wolfgang Thieme dankte noch einmal allen, die sich an den Nachforschungen beteiligt haben. „Wir sind viel mehr als die, die da draußen neonazistische und antisemitische Parolen rumblöken“, sagte er und sieht die Ausstellung auch als eine Warnung an. Besonders beeindruckend, es wurde in dem Zusammenhang eine Transportliste der Nazis für Juden in den Osten gezeigt – auf 86 Seiten standen mehr als 1700 Namen. Die meisten von ihnen kamen nicht lebend zurück. Umrahmt wurde die Veranstaltung von Orgelmusik und Gesang.

Das Abschlussgebet wurde von einem der israelischen Schüler gesprochen, ehe sich alle in stillem Gedenken von den Plätzen erhoben.

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