Bad Belzig: Protest vor der Baur-Halle – Ausschuss soll Vorgänge um Stadtwerke klären

Stadt Bad Belzig. Eine Einwohnerversammlung im April und ein Sonderausschuss der Stadtverordnetenversammlung (SVV) Bad Belzig sollen Licht in die Vorgänge um die Stadtwerke der Kurstadt bringen. Das Beschloss die SVV in ihrer außerordentlichen Sitzung am Mittwochabend in der Albert-Baur-Halle.

Vor der Versammlung

Schon vor der Versammlung wurde es turbulent. Vor der Halle hatten sich etwas über 100 Bürger zu einer Demonstration versammelt. Aufgerufen hat dazu die „Initiative für die Natur“. Deren Vorsitzender Jürgen Hauschke forderte vom Bürgermeister Roland Leisegang, dass er Konsequenzen nicht nur aus den Vorgängen um die Stadtwerke ziehen soll. Die Initiative wirft ihm Versagen auf der ganzen Linie vor – von der Burg über das Pogo bis zum Kulturzentrum.

Die Partei „Die Linke“ mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Claudia Wipfli stand vor der Halle mit wärmenden Tee als Ansprechpartner für die Bürger zur Verfügung.

Als Bürgermeister Roland Leisegang kam, erhoben sich vereinzelte Unmutsbekundungen, die Plakate wurden hochgehalten. Viola und Werner Klimt wollen Klarheit. „Packt endlich aus Herr Bürgermeister und Herr Paul- wir wollen nicht die Zeche für euer Versagen zahlen“, stand auf ihrem Plakat. Ihre Fernwärmekosten sind um 135 Prozent gestiegen, das Guthaben aus der Stromersparnis wurde eingefroren. „Das war unser Urlaubsgeld“, beklagt das Rentnerehepaar aus Bad Belzig.

Carsten Paul bezeichnet Leisegang als den schlechtesten Bürgermeister, der je die Stadt geführt hat. „Stellen sie die Vertrauensfrage“, forderte der Belziger.

Sarah Tschiersch will einen Neuanfang, wie man lesen konnte. „Der Bürgermeister muss abdanken, wir brauchen neuen Schwung, die Stadt ist eingeschlafen“, sagte die junge Dame.

Leisegang nahm sich vor der Halle Zeit, las alle Plakate, suchte das Gespräch mit Bürgern und lud in die Halle ein.

Eintritt erhielten nur die frisch getesteten, so bildete sich eine lange Schlange vor dem Testzentrum. Nicht alle, die hineinwollten, durften es auch. „120 Personen, inklusiver der Stadtverordneten dürfen hinein“, so war die Vorgabe, wie der Vorsteher Ingo Kampf erläuterte. So blieben schlussendlich rund 30 Personen vor der Tür.

Sitzung der SVV Bad Belzig

Nach der Sitzungseröffnung betonte der Bürgermeister, der einen großen Stab mitgebracht hatte, dass er ob der laufenden Ermittlungen und des in Aufstellung befindlichen Insolvenzplans wenig sagen könne.

Stellung bezog der kommissarischen Geschäftsführer der Stadtwerke, Thomas Tanneberg. Auch sein Kollege Eckhard Schindelhauser war vor Ort, außerdem Beate Rulf von der Bewog (Belziger Wohnungsgesellschaft) sowie Christian Kröhnert als Vertreter des Insolvenzverwalters.

Durch Börsentermingeschäfte des ehemaligen Geschäftsführers Hüseyin Evelek sollen die Stadtwerke auf einem Schuldenberg von über 20 Millionen Euro sitzen und in die Insolvenz geschlittert sein. In deren Folge mussten jetzt die Preise für Heizung und Fernwärme deutlich erhöht werden.

Die von den Bürgern in ihren Anfragen gestellte Frage nach Verantwortlichkeiten und der Zukunft der Stadtwerke und der Kreisstadt wurde für die meisten Antragssteller unzureichend beantwortet. Kröhnert sah immerhin einen gesunden Kern in der Stadtwerkegesellschaft und glaubt an eine Weiterführung der Geschäfte. „Der Insolvenzplan wird kommen, wenn nicht wäre die Zerschlagung ein Weg, wovon ich nicht ausgehe“, sagte Krönert, der einen Insolvenzplan für den 1. April 2022 avisierte.

Die Sorge der Bürger galt vor allem den Preiserhöhungen für Energie und Wärme. Jörg Krieg brachte auf den Punkt, was viele dachten. „Ich bin enttäuscht von der Veranstaltung, es geht hier nur um die juristischen Wege, aber meine Mutter kann die Heizung bald nicht mehr bezahlen, wir zahlen die Zeche, und keiner von den Verantwortlichen wird zur Verantwortung gezogen“, sagte der Bad Belzig unter dem Beifall der anwesenden Bürger. Immerhin entschuldigte sich der Aufsichtsratsvorsitzende Tobias Paul (CDU) nach Aufforderung der Bürger für die Geschehnisse.

Bürgermeister Roland Leisegang versprach, dass ein vom Stadtverordneten Thomas Häuser (Bü90/Grüne) vorgeschlagener Hilfsfonds in der Trägerschaft des Vereins „Soziale Arbeit Potsdam-Mittelmark (SAM)“ aufgelegt werden soll, um die größten Nöte abzumildern. Allerdings ist die Ausgestaltung des Fonds noch in Arbeit.

Zur Frage der Abwahl des Bürgermeisters wollte sich trotz Aufforderung niemand der Abgeordneten äußern.

Sonderausschuss und Einwohnerversammlung beschlossen

Allerdings wollten die sich uniformiert gebenden Abgeordneten mehr wissen. Deshalb haben die Fraktionen „Die Linke“ und SPD den Antrag gestellt, einen zeitweiligen Ausschuss „Stadtwerke“ einzuberufen, um die Vorgänge zu klären. „Es geht um Transparenz“, begründete Fraktionsvorsitzende der Linken, Claudia Wipfli. Ihr SPD-Kollege Sven Schmidt wollte aus jeder Fraktion ein Mitglied in den Ausschuss entsendet haben wollen. Da nicht alle Fraktionen eine Zustimmung signalisierten, drohte Lothar Lehmann (Freie Wähler) gar mit Rücktritt falls der Ausschuss nicht eingerichtet wird. Lehmann kann Abgeordneter bleiben, der Ausschuss ist mit Mehrheit beschlossen worden. Ob das Nein der CDU mit der Verantwortlichkeit ihres Mitglieds Tobias Paul zusammenhängt, wurde nicht gesagt.

Ein kurzfristig eingebrachter Antrag der Linken auf eine Einwohnerversammlung, in der weitere Informationen weitergegeben werden sollen, fand einhellige Zustimmung.

Nach drei Stunden endete der öffentliche Diskurs, der die letzten noch in der Halle ausharrenden Bürger enttäuscht nach Hause gehen ließ. Es bleibt abzuwarten, ob die Transparenzversprechen eingehalten werden.

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