Roland Leisegang

Bad Belzig: Mögliche Abwahl von Bürgermeister Roland Leisegang – Jetzt sind die Bürger gefragt

Stadt Bad Belzig. Am Abend des 17. Oktobers 2022 tagen die Bad Belziger Stadtverordneten vor allem zu einem Punkt: Antrag zur Einleitung eines Bürgerentscheides über die Abwahl des Bürgermeisters der Stadt Bad Belzig, Roland Leisegang. 18. Stadtverordnete werden am Ende dafür stimmen, 16 wären für einen erfolgreichen Antrag erforderlich gewesen.


Voraus gegangen war ein Antrag von 14 Stadtverordneten im September 2022, der auch die Unterschrift von Árpád von Nahodyl Neményi (AfD) und Andre Schär (fraktionslos, kandidiert für die NPD) trägt. Zur Antragstellung hätten zwölf Stimmen gereicht. Ein Monat musste zwischen dem Eingang des Antrages beim Vorsitzenden der Stadtverordentenversammlung und der Behandlung des Antrags liegen.

Demonstration vor dem Rathaus

Bereits vor Beginn der Sitzung der Stadtverordneten treffen sich ca. 60 Bürger vor dem Rathaus, überwiegend still und nachdenklich. Paul Weise, der die Initiative zu dieser Demonstration ergriffen hatte, zeigt sich zufrieden:

„Dafür, dass die Werbung nur über Facebook und euch (gemeint ist ‘Fläming 365’) erfolgte, ist der Zuspruch hervorragend.“

Ein einziges Plakat ist zu sehen, mit einem Zitat der Gruppe Keimzeit, deren Schlagzeuger Bürgermeister Roland Leisegang bis 2012 war.

Keimzeit, Demo, Abwahl, Roland Leisegang
Plakat mit einem Keimzeit-Zitat, rechts Initiator der Demonstration Paul Weise (c) Eva Loth
Karl-Heiz Reinicke, Paul Weise
Karl-Heiz Reinicke (links) und Paul Weise (Mitte)

Karl-Heiz Reinicke, der seit 2003 in der Stadt wohnt, verweist in einer kurzen Ansprache auf die Gefühle, die viele Bürger empfinden:

„Dass man seinen Hass nicht so hinausschreien möchte, wie man ihn empfindet.“

Dass Leisegang gemeinsam mit Remondis vor wenigen Tagen für die taumelnden Stadtwerke eine neue, vielversprechende Perspektive eröffnet hat, kann Reinicke und Weise und die Bürger um sie herum nicht beruhigen:

„Das Vertrauen ist weg.“

(Vier Fotos von Eva Loth)

Verteidigung und Rundumschlag

Die Sitzung der Stadtverordneten beginnt mit leichter Verspätung. Vorsitzender Ingo Kampf (SPD) hatte sich noch die Zeit genommen, den Bürgern, die nicht mehr in den Ratssaal passten die Situation zu erläutern. Im Saal ist etwa die Hälfte der Besuchersitze durch Bürger der Stadt und die andere Hälfte durch Mitarbeiter der Stadt besetzt. Das spielt später noch eine Rolle, da dem Bürgermeister unterstellt wird, die Mitarbeiter in den Saal beordert zu haben, was Leisegang unter dem Beifall und zustimmendem Nicken der Mitarbeiter vehement bestreitet.

Mathias Wandel (CDU/BBB)
Mathias Wandel (CDU/BBB) war via Bildschirm anwesend.

Dann folgt der Bericht des Bürgermeisters. Normalerweise informiert der Bürgermeister unter diesem Punkt über wichtige Angelegenheiten der Stadt, die sich seit der letzten Sitzung ergeben haben. Leisegang nutzt eine Stunde lang die Gelegenheit zu einer umfassenden und detailreichen Verteidigung. Beim eigentlichen Tagesordnungspunkt hat er kein Rederecht.

Immer wieder verweist er darauf, dass er durchaus gehandelt hat, dass er den Rechtsweg verfolgt hat. Bis heute gebe es keine rechtliche Verurteilung, kein Ermittlungsverfahren, nicht einmal eine Anklage.

Punkt für Punkt stellt Leisegang akribisch bis zur semantischen Wortdeutung noch einmal die Entwicklung rund um den Stadtwerkeskandal aus seiner Sicht dar. Immer wieder geht sein Zeigefinger in die Höhe. Er hätte auch wenig Zeit für die Kritik gehabt, da die Bewältigung der Krise seine volle Zeit und Arbeitskraft gefordert hat.

Leisegang sieht auch mögliche Konsequenzen:

„Mein Rücktritt hätte die Zerschlagung gefördert, da auch der Aufsichtsrat der Stadtwerke nicht arbeitsfähig war.“

SVV Bad Belzig
In der SVV Bad Belzig

Vor allem jedoch wird seine Verteidigungsrede zu einer Anklage, zu einem Rundumschlag gegen Kritiker.

Gegen den Runden Tisch Energie, der eine Petition in den öffentlichen Raum stellte und dem Bürgermeister vorwarf, nicht gehandelt zu haben, und dessen „Meinungsäußerungen wenig Sachkenntnis zeigten, aber eine große mediale Resonanz fanden“.

Gegen den Journalisten Hermann M. Schröder von der MAZ, dem er einen Missbrauch der Medienmacht, Aktivismus, Mutmaßungen vorwarf:

„Die Presse soll Informationen verbreiten. Mitregieren ist nicht vorgesehen.“

Und gegen den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung, Ingo Kampf, der einen Brief des Bürgermeisters nicht beantwortet hätte und dessen Meinungsäußerungen in der Presse mehr Mutmaßungen als Fakten enthielten.

Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung dagegen scheinen hinter dem Bürgermeister zu stehen, zumindest soweit man den Beifall für seine Ausführungen folgt.

In die Waagschale geworfen

Bad Belzig App, Philipp Wilimzig, Thomas Kralinski, Silke Kühlewind, Roland Leisegang, Kathrin Lange
Bad Belzig App im August 2019 vorgestellt: (v.l.n.r.) Philipp Wilimzig, Thomas Kralinski, Silke Kühlewind, Roland Leisegang, Kathrin Lange

Dabei hat Leisegang als Bürgermeister durchaus einige Erfolge vorzuweisen, wie er zum Ende seiner Rede aufzählt. Er nennt u.a.

Dafür, dass das möglich geworden ist, bedankt sich der Bürgermeister bei der Stadtverwaltung und bei den Stadtverordneten.

Leisegangs Fazit

Am Ende seines Vortrages stellt sich Leisegang eine nachdenkliche Frage, die erst in der Zukunft beantwortet werden wird:

„Werden meine Verdienste später gewürdigt werden oder werden sie durch die Anschuldigungen überdeckt werden?“

Er entschuldigt sich bei den Bürgern, dass es ihm nicht gelungen ist, mit den Stadtverordneten eine ebenso gute Fehlerkultur aufzubauen wie innerhalb seiner Verwaltung. Er erklärt sich weiter offen für Lösungsansätze und eine Zusammenarbeit, vorausgesetzt, letztere ist faire und offen.

Die Reaktion im Saal ist geteilt. Während die einen klatschen, vor allem seine Mitarbeiter, bleiben die meisten Stadtverordneten und die restlichen Besucher stumm.

Für und Wider in der Fragestunde

Als die Bürger später Fragen zum Stadtgeschehen stellen dürfen, wird noch einmal deutlich, wie gespalten und teilweise vergiftet das Klima in der Stadtgesellschaft ist.

Torsten Gensicke von der Bad Belziger Feuerwehr meinte in Richtung der Stadtverordneten:

„Der Bürgermeister ist der einzige, der euch daran erinnert, dass ihr für den Katastrophenschutz in der Stadt zuständig seid.“

Gleichzeitig verwies er auf die Kosten einer Abwahl und forderte:

„Lieber noch zwei Jahre zusammenarbeiten.“

Alexander Heber von der Burgmetzgerei verwies dagegen auf den Weggang verschiedener Unternehmen und Unternehmensteile wie z.B. der Café und Chocolaterie Burg Eisenhardt, und erteilte Leisegang und Kampf Hausverbot bei sich. Letztlich nahm er aber ein Angebot des Bürgermeisters für ein persönliches Gespräch an.

Die Abstimmung

Die SPD-Fraktion hatte namentlich Abstimmung beantragt. Als jeder einzelne abgefragt war, hatten 18 Stadtverordnete dem Antrag zugestimmt. Die Stadtverordneten haben damit die Entscheidung in die Hände derjenigen gelegt, die den Bürgermeister auch gewählt hatten, die Bürger.

Verfahren und Kosten

Der Bürgerentscheid erfolgt am 11. Dezember 2022. Bürgermister Leisegang ist abgewählt, wenn eine Mehrheit der abstimmenden Personen, mindestens jedoch ein Viertel der wahlberechtigten Personen, für die Abwahlgestimmt haben.

Eine Neuwahl wird im Falle der Abwahl voraussichtlich im Mai stattfinden. Wird eine Stichwahl notwendig, ist im Juni mit einem Ergebnis zu rechnen.

Das Wahlgebiet gegliedert sich dabei in die 14 Ortsteile, sechs Stadtgebiete und ein Gebiet für die Briefwahl.

Der Bürgerentscheid wird 26.300 Euro kosten. Dazu kommt die Neuwahl mit ebenfalls mehreren Zehntausend Euro. Dazu kommen ca. 100.000 Euro zusätzliche Personalkosten.

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5 Antworten

  1. “Der Bürgerentscheid erfolgt am 18. November 2022. ” <= ????

    NEIN; ! der Bürgerentscheid soll am 11. Dezember stattfinden, bitte im Artikel berichtigen.

  2. Mindestens 126.000 Euro plus Kosten der Wahl, damit die Legislatur unter Umständen lächerliche 24 Monate abgekürzt wird? Steht das wirklich an jetzt? Wer zahlt das?
    Und wer weiß, vielleicht passieren ja – man soll ja positiv denken – in den 24 Monaten ein paar Wunder und am Ende wär alles schick?

  3. Dafür das die Stadt haushaltstechnisch nicht so gut da steht, für eine Abwahl in Gang zu setzen die der Stadt GELD kostet… kann man mal sehen wie schlau die Stadtverordneten doch sind. Dafür das die SVV alles beschließen und der Bürgermeister nur ausführendes Organ ist, interessiert niemanden. Ein schlauer Herr Horn der Vorsitzender für den Ausschuss Wirtschaft und Finanzen ist hat es selbst nicht mit bekommen was da bei den Stadtwerken abgelaufen ist. Mit dem Abwahlverfahren werden der Stadtverwaltung wieder Steine in den Weg gelegt. Und es können Projekte dann höchstwahrscheinlich bis Mitte nächsten Jahres nicht aus- oder durchgeführt werden. Besten Dank liebe Mitglieder der SVV für soviel Dummheit.
    Wäre sehr geil wenn man EUCH wie ihr dort sitzt auch abwählen könnte.

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