Bad Belzig: Thomas von Gizycki auf Sommertour im Infocafé „Der Winkel“

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Bad Belzig. Der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Thomas von Gizycki ist dieses Jahr mit seiner Sommertour unter dem Motto Armut in Brandenburg – Wege aus der Krise in Brandenburg unterwegs.

Am Donnerstag, den 27. Juli 2023 traf er Mitarbeitende und Organisator*innen des Infocafés “Der Winkel” in Bad Belzig. Im Gespräch mit Annie-May Rex und Mitarbeitenden des Infocafés ging es um die Flüchtlingshilfe in und um Bad Belzig, um aktuelle Projekte für mehr sozialen Zusammenhalt und lokale Entwicklungen beim Engagement gegen Rechts.

Wie wird die Beratung angenommen und welche Unterstützung erfährt der Forum e.V. ? Der Verein feiert 2023 sein 25jähriges Bestehen.

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Annie-May Rex, Thea Hönecke, Matthias Täge v.l.

Der Verein wurde als Antwort auf rechte Ausschreitungen in Bad Belzig Ende der neunziger Jahre gegründet. Damals wurde die Kreisstadt deutschlandweit bekannt und fast schon als braune Hochburg bezeichnet. Aber es gab viele Menschen, die das nicht auf sich sitzen lassen wollten und sich zu einem Bündnis zusammenschlossen.

Drei der Gründungsmitglieder sind auch heute noch aktiv. Erster Vorsitzender ist Wam Kat, stellvertretende Vorsitzende Thea Höhnecke und Kassenwart Mathias Täge. Letzterer gab einen kurzen Überblick über die Vereinsgründung und das Infocafé „Der Winkel“. Ursprünglich hervorgegangen als Initiativkreis aus dem „Belziger Forum gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ ist das Info-Café seit dem 12.09.1998 zu einer festen Institution in der Stadt Belzig geworden und hat durch seine Bildungsarbeit wesentlich dazu beigetragen, eine Atmosphäre der Akzeptanz und Toleranz, der Weltoffenheit und des Respekts in Belzig zu fördern. Es gilt heute als beispielgebend für gelungene Integrationsarbeit.

Rechtlicher Träger des Infocafés ist der gemeinnützige Verein Belziger Forum e.V., der auch 1998 gegründet wurde. Programmplanung, Cafebetrieb und Veranstaltungen werden von einem Team engagierter Mitglieder und Unterstützer weitgehend in ehrenamtlicher Arbeit getragen. Am kontinuierlichsten wird das Cafe als geschützter Treffpunkt von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern genutzt. Hier erfahren sie Beratung, Begleitung bei Behördengängen, Übersetzungshilfen und vor allem Anteilnahme. Im Cafe stehen eine kleine Bibliothek, internationale Zeitungen, sowie mehrere PC´s zur Verfügung, über die sie mit Freunden und Familienangehörigen in ihren Heimatländern kommunizieren können.

Im regen Austausch mit Thomas von Gizycki berichten Thea Hönecke, Annie-May Rex und Matthias Täge dem Abgeordneten, wo ihnen der Schuh drückt.

Wer kommt ins Infocafé?

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Sommertour Thomas von Gizicky im Infocafe der Winkel

Das Café ist der erste Anlaufpunkt für Menschen, die neu hier ankommen, sei es in Gemeinschaftsunterkünften oder in Wohnungen. Die Menschen kommen hierher, um Informationen zu erhalten.

“Wir können keine Beratung anbieten, da wir ehrenamtlich tätig sind. Wir sind auch fachlich nicht so ausgebildet wie Beratungsstellen, aber wir können den Menschen helfen, Termine zu vereinbaren, sei es beim Arzt oder bei der Ausländerbehörde. Wir versuchen auch, Unterlagen wie Kindergeld- oder Jobcenter-Anträge auszufüllen, die wir bereits kennen, und leiten sie an die zuständigen Stellen weiter”, erklären Thea Hönecke und Annie-May Rex. Das ist einerseits das Angebot, und andererseits bietet das Café Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Menschen. Sie können hier sitzen, das Internet nutzen, Dokumente einscannen, drucken und kopieren lassen und sich austauschen. Sie können auch Spiele spielen und Deutsch lernen.

“Ich biete dienstags ein Sprachcafé an, wo wir gemeinsam Deutsch lernen. Ich lerne nebenbei auch ein bisschen Arabisch, und das Ganze soll zu einer Art Tandemcafé wachsen, damit auch deutschsprachige Muttersprachler hierherkommen und diese interkulturelle Begegnung durch das Deutschlernen ermöglicht wird. Das ist eines der Angebote, die wir hier vor Ort machen möchten”, sagt Annie-May Rex, Koordinatorin für interkulturelle Arbeit.

Die Mitarbeiter versuchen, in der Region Fläming ein gutes Netzwerk zwischen verschiedenen Initiativen aufzubauen, wie AWO, Diakonie, Diakonisches Werk – also alle, die mit Menschen zu tun haben, aber auch Schulen, Kindergärten. Durch Projekte ist  das sehr gut gelungen. Thea Hönecke ist seit 2021 an dieser Stelle und begleitet seitdem die Integration und den Kampf gegen Rassismus in der Planung und Umsetzung zusammen mit der Regionalkoordinatorin, der Partnerschaft für Demokratie und anderen.

Wir sammeln und führen Projekte durch, die im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus  immer Ende März stattfinden. Wir bieten selbst Angebote an, wie zum Beispiel Antirassismus-Workshops für Hauptamtliche, Schulen, Kindergärten oder Familienzentren, oder wir überlegen uns eigene Angebote zu diesem Thema. Und darum geht es letztendlich. Durch diese Arbeit ist die Vernetzung im Fläming mit allen Initiativen sehr gut gelungen“ so Thea Hönecke.

Wohnraum ist eines der größten Themen

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Sommertour Thomas von Gizicky im Infocafe der Winkel

Thomas von Gizycki sieht, dass die Mitarbeiter durch den Austausch sehr schnell mitbekommen, wenn irgendwo ein Problem auftaucht. Deswegen wollte er gerne wissen , wie sich das alles über die Zeit entwickelt hat, was sicherlich Ende der 90er bestimmt komplett anders war, als es heute ist. „Unter dem Stichwort Integration meine ich ja auch nicht nur Ausländer, sondern auch andere ganz normale Menschen, die hier vielleicht das Gefühl haben, zu kurz zu kommen“, so Gizycki, “ist das auch ein Klientel oder Thema?“

In erster Linie kommen Flüchtlinge in das Café, aber inzwischen gibt es auch viele Einwohner der Stadt, die regelmäßig zu Gast sind. Eines der größten Probleme ist die Suche nach Wohnraum. Über die Hälfte der Asylbewerber könnte theoretisch aus den Sammelunterkünften ausziehen, aber leider bekommen gerade diese Menschen am wenigsten Wohnungen. Das ist ein Riesenproblem. Die Frustration ist sehr hoch. Eigentlich sagt fast jeder zweite, der in das Café kommt, dass er eine Wohnung sucht. Und das können die Mitarbeiter nicht bieten. Dafür bräuchte es eine ganz andere Stelle, die sich ausschließlich mit der Wohnungssuche beschäftigt.

Es gäbe zwar die BEWOG, aber es scheint, als wolle man kein Geld mehr investieren. Und irgendwann merkt man langsam, dass der Wohnungsbau ein Thema wird. Es gibt zu wenig kommunale Wohnungen. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Menschen auf dem Land leben. Die meisten Häuser sind in Privatbesitz. Dort leben Familien mit Eltern, Kindern und Enkeln. Oft wird das Haus dann weitervererbt und es lebt vielleicht nur noch die Oma dort. Dort ist eine Unterbringung schwierig.

Das möchte Thomas Gizicky auch im Land vorantreiben, dass die Kommunen mehr Wohnraum schaffen, sowohl in Potsdam als auch in kleinen Kommunen, die entweder kein Geld haben oder niemanden, der das für sie umsetzt. „Das sind anspruchsvolle Projekte, und ich glaube, das ist so ein bisschen mein Steckenpferd, dass man vielleicht eine Art Landeswohnungsbaugesellschaft gründen muss, die solche Projekte im Auftrag der Kommunen umsetzen und vielleicht auch vorfinanzieren kann. Denn mit der Problematik um die Stadtwerke ist derzeit in Bad Belzig  nicht viel zu erwarten, da die Gemeinde das nicht alleine bewältigen kann. Das Problem ist eher ein Teil der Entwicklungsstrategie hier vor Ort“, so der Abgeordnete.

Sorgen und Probleme

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Sommertour Thomas von Gizicky im Infocafe der Winkel

Schonungslos legten die Mitarbeiter des Infocafé ihre Sorgen und Probleme auf den Tisch. Die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde funktioniert oft nicht, wie gewünscht. Oft kommt man telefonisch gar nicht durch.

„Ich habe einen Tag  3 Stunden versucht, da jemanden zu erreichen“ erzählt Annie-May Rex. „Das sind die alltäglichen Probleme. Und es ist nicht nur die Ausländerbehörde, es sind auch viele andere Behörden, die schwer zu erreichen sind. Das ist auch oft  in der Verwaltung der Ausländerbehörde, Jobcenter so,  also an allen wichtigen Sachen, die wir wollen und brauchen. Das funktioniert einfach nicht. Das ist auch für die Mitarbeiter hier unglaublich anstrengend, sich mit den Behörden auseinanderzusetzen, auch wegen der Anträge. Obwohl eigentlich alles einfacher werden soll, ist es selbst für uns noch schwer, ein Flüchtling kommt mit diesen Anträgen allein gar nicht zurecht.  Die verstehen nicht alles, wissen die oft gar nicht, was ist damit gemeint. Wir geben unser Bestes, aber er und es ist einfach sehr anstrengend, sich damit auseinanderzusetzen. Das ist derzeit unsere Hauptarbeit“, so Annie-May Rex.

Die meisten Mitarbeiter im Infocafé arbeiten ehrenamtlich. Gern würde man wenigstens eine kleine Pauschale als Dankeschön zahlen. Selbst da dauern den Mitarbeiter die Bearbeitungen von Förderungen viel zu lange. Obendrein ist jedes Mal ein Eigenanteil zu erbringen, was für manche Vereine schon schwierig ist. Da möchte Thomas von Gizicky ebenfalls nachhaken.

Zweierlei Maß?

Ob es Probleme gäbe wegen der Unterschiede in der Handhabung ukrainischer Geflüchteter und der aus anderen Ländern, wollte Thomas von Gizicky wissen. Das sei konkret nichts festzustellen, lautete die Auskunft. Aber natürlich bekommen es Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder auch aus afrikanischen Ländern mit, das hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

Sie bekommen es mit und verstehen nicht, wenn ich aus Syrien geflohen bin aus denselben Gründen, dass ich schwerer eine Wohnung finde. Oft wurde schon an ukrainische Geflüchtete vermietet und das trübt natürlich die Stimmung. Aber eine Stimmungsmache gegeneinander wurde bisher nicht festgestellt. Es gibt Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern, die sich austauschen, die auch zusammen zum Sprachkurs gehen und dadurch entwickeln sich auch Freundschaften sich. Aber sie merken schon, dass Unterschiede gemacht werden.

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Einladung 25 Jahre Infocafe der Winkel

Auch den Mitarbeitern fällt nicht leicht, das alles zu verstehen, da entsteht durchaus  Frustration, die auch manchmal raus muss. So erzählte Annie-May Rex von einem Telefonat mit einer Wohnungsvermieterin. Als diese erfuhr, dass sich ein Flüchtling aus Syrien für die Wohnung interessierte kam die Antwort: „Ich nehme nicht mal die aus der Ukraine.“ Da geht selbst Annie-May Rex der Hut hoch.

Durch solche Erlebnis wird  klar, dass man einfach stärker auch mit der Gesellschaft interagieren muss, um dieses Unverständnis abzubauen. Es kommen zwar inzwischen viele Menschen in das Infocafé, aber Einheimische fremdeln immer noch.

„Wobei es sich jetzt auch gerade ändert, weil wir die einzigen sind, die irgendwie noch öffentlich drucken und kopieren“, sagen die Mitarbeiter mit einem Augenzwinkern. Es kommen mittlerweile immer mehr ältere Menschen, die zu Hause keinen Drucker haben, auch mal hier rein. So kommt man manchmal auch ins Gespräch. So werden dann auch Falschinformationen richtig gestellt und Vorurteile abgebaut. „Ach so, das wusste ich gar nicht, dass das so ist“, bekommen die Mitarbeiter dann oft zu hören.

„Im großen Rahmen überlegen wir immer wieder wie kann man so eine Art Bürgerdialog auf den Weg bringen kann“, so die Mitarbeiter.  Vor etwa gab es 3 Wochen die Mittelmeer Monologe, hier ein Theaterstück, mit dem eigentlich alle angesprochen werden sollten, sich mit diesem Thema Flucht übers Mittelmeer zu beschäftigen. Das war  ein  ergreifendes Theaterstück, was da aufgeführt wurde. Aber man merkte immer wieder , man erreicht nicht alle, sondern genau die, die sich bereits mit diesem Thema beschäftigen, die auch beruflich teilweise in diesem Thema stecken. „Wir erreichen nicht unbedingt die, die wir vielleicht gerne erreichen möchten“, so Anni-May Rex und Thea Hönecke.

Ehrenamtliche Helfer sind im Infocafé stets willkommen. Aber die Arbeit hier passt nicht für jeden, man muss schon weltoffen sein und ein bisschen kommunikativ. Im Infocafé leisten auch viele Jugendliche ihre Strafstunden ab. Darüber hat das Café jetzt aktuell gerade einen neuen Mitarbeiter, der sich super engagiert und toll  mit eingebracht hat. Man darf eben keine Vorurteile haben und auch nicht in sich gekehrt sein, denn immerhin geht man mit Hilfesuchenden um.

Deshalb versucht der Verein auch in Kitas und Schulen aktiv zu werden, um auf die Probleme der Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Es gibt die Projektwochen gegen Rassismus, an denen sich viele Einrichtungen beteiligen. Am besten ist es, wenn es Schulsozialarbeiter:innen gibt, mit denen man in Austausch gehen und überlegen kann, welche Veranstaltungen und Projekte sinnvoll sind. Das Thema Rassismus wird uns für viele Jahre begleiten.

Zum 25. Geburtstag lädt das Infocafé am 9. September auf den Marktplatz Bad Belzig zu einer Veranstaltung mit Live Musik und einem bunten Programm ein.

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