Stilles Gedenken im ehemaligen Lager Roederhof in Bad Belzig

 

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Bad Belzig. Gleich an seinem zweiten Arbeitstag als neuer Bürgermeister der Stadt Bad Belzig hatte Robert Pulz einige sehr bewegende Begegnungen. Denn am 3. Mai vor 78 Jahren wurde die Stadt unter Führung von Lehrer Artur Krause und Pfarrer Erich Tschetschog kampflos an die Sowjetarmee übergeben. Beide sind heute Ehrenbürger der Stadt und Namensgeber einer der Bad Belziger Schulen. Damit verbunden war gleichzeitig die Befreiung der 63 Frauen aus dem Lager Roederhof, einem KZ-Außenlager von Ravensbrück. Seit dieser Zeit finden genau an diesem Tag Gedenkveranstaltungen an der ehemaligen Stätte des Grauens statt.

Inge Richter, Robert Pulz, Roederhof
Inge Richter und Robert Pulz

Auch in diesem Jahr waren wieder Angehörige von Überlebenden und zu Tode gekommenen anwesend. Sie waren zuvor der Einladung von Robert Pulz zu einem gemeinsamen Gespräch gefolgt. Am großen Plakat des Förderkreises Roederhof e.V.  herrschte eine bedrückte Stimmung. Ramona Stucki erklärte den Anwesenden, was darauf zu sehen ist. Der Förderkreis wurde von Gerhard Dorbritz ins Leben gerufen, der sich seit Mitte der 60er Jahre für das Gedenken engagierte und Ehrenbürger der Stadt ist. Mit seinem Tod 2015 übernahm Inge Richter diese Aufgabe.

Musikalisch wurde die Veranstaltung mit einem Lied des Künstlers Dieter Halbach eröffnet und auch beendet. Dieser hat gemeinsam mit Laura Morgenstern eine CD herausgebracht, in deren Liedern es um den Aufenthalt in Konzentrationslagern geht – zusätzlich mit einer Einlage von Gedanken und Gedichten. Diese konnten sich die Anwesenden abschließend kostenfrei mitnehmen.

Helena Rens, Roederhof, Bad Belzig
Helena Rens

Robert Pulz begrüßte insbesondere die Angehörigen der ehemaligen Insassinnen. Helena Rens, Nichte der nur wenige Tage vor der Befreiung in der Krankenbaracke verstorbenen Maria Aerts, richtete einige Worte an die Gäste. Sie erzählte, wie es überhaupt zu der Verhaftung kam:

„Im Sommer 1944 standen drei amerikanische Piloten vor der Tür ihrer Großeltern und baten um Hilfe. Sie waren auf dem Weg zurück nach Amerika. Unser Großvater gewährte ihnen für einige Tage Obdach und Essen. Aber dafür wurden wir schwer bestraft.“

Einige der Familienmitglieder wurden deportiert. Deshalb sei es wichtig diese Erinnerungen zu bewahren, so Helena Rens. Die Familie Grazielie hatte das Glück, das ihre Mutter den Todesmarsch überlebt hatte.

„Es stimmt mich in diesem Kontext besonders nachdenklich, dass die Bundesregierung beabsichtigt, die Wirtschaft per gesetzt zur Produktion und Lieferung von Munition an die Ukraine zu verpflichten. Sicherlich wird dadurch einem Angriffskrieg – paradoxerweise gegen die Nachfahren der damaligen Befreier der Inhaftierten des hiesigen Außenlagers Roederhof – entgegengewirkt. Dennoch findet in Europa wieder Krieg und Vertreibung statt. Dieser Umstand macht es heute und in Zukunft ganz besonders wichtig, an Geschichte zu erinnern – mindestens um sicherzustellen, dass sich Geschichte nicht wiederholt“, mahnte Robert Pulz mit eindringlichen Worten.

Sophia Weltzien, Louisa Berlin, Roederhof, Bad Belzig
Sophia Weltzien und Louisa Berlin

Inzwischen ist auch Tradition, dass sich die Schulen der Stadt in die Gestaltung der Gedenkfeier einbringen. „Wir haben überlegt, wie wir uns sinnvoll einbringen können“, so Schulleiter A. Ulbrich. Dann kamen Lilli Mischke und Lene Deichgräber auf ihn zu. Sie wollten ihre Facharbeit in Geschichte schreiben und sich dafür mit Insassinnen des Roederhofs beschäftigen. So wurde das Schicksal von Albertine de Bus, die auf dem Todesmarsch nach Altengrabow erschöpft zusammenbrach und am Straßenrand erschossen wurde, und Vera Koldova, der bei Görzke die Flucht gelang, noch einmal in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Auch das Gedicht von Katharina Dahms „Stilles Gedenken“ bewegte. Vorgetragen wurde es in französischer und in deutscher Sprache von Sophia Weltzien, Louisa Berlin und Anne Bräuer.

Wam Kat, Roederhof, Bad Belzig
Wam Kat

Auch Wam Kat, geboren in den Niederlanden, Vorsitzender vom Belziger Forum e.V. hält den 3. Mai für einen sehr wichtigen Tag. Er hatte gleich zweimal Glück. Zum einen damit, dass sein Vater das KZ Buchenwald überlebt hat und damit zum anderen, dass er überhaupt geboren wurde. Seit 1995 lebt er in Bad Belzig. Damals waren Zeitungen wie „Der Spiegel“ voll mit Beiträgen über rechtsextremistische Ausschreitungen in der Stadt. „Wir müssen ein Zeichen finden, dass wir so etwas nicht wollen“, dachten sich Wam Kat und seine Mitstreiter. Das Belziger Forum e.V. und das Infocafé wurden  gegründet und gaben sich als Symbol ein rotes Dreieck. Mit diesem Zeichen wurden im KZ zusätzlich politische Häftlinge gekennzeichnet.

„Aber Gedenken bedeutet auch, nach vorn zu gucken“, so Pieter Jan Herman Fredrik (Wam) Kat:

“ Ihr seid die Samen die dafür sorgen, dass nichts mehr passiert.“

(Artikelfoto: Inge Richter und Robert Pulz verneigen sich vor den Opfern.)

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